Die Kuratorin Ken Aïcha Sy fordert eine radikale Neugestaltung des Kunstverständnisses und des Zugangs zu kulturellem Erbe im Senegal und darüber hinaus. Sie kritisiert die Isolation von Kunstwerken in europäischen Museen und plädiert für eine engere Verbindung zwischen der Kunst und der Gesellschaft.
Ein neuer Zugang zur senegalesischen Kunst
Ken Aïcha Sy ist eine leidenschaftliche Verfechterin einer inklusiven Museumsarbeit. Sie tourt derzeit mit der Ausstellung „When We See Us“ durch Europa, die die Wertigkeit panafrikanischer Malerei über 100 Jahre hinweg beleuchtet. Diese Kunstwerke, häufig in den Depots des Iwalewahauses in Bayreuth gelagert, zeigen die Bereicherung der Kunstszene durch senegalesische Künstler. Bei einem Besuch im Iwalewahaus entdeckte Sy zahlreiche wertvolle Exponate, von Gemälden über historische Zeitungsartikel bis hin zu Negativfotos, die den kreativen Reichtum des Senegal verdeutlichen.
Kritik an europäischen Museen
Sy bringt ihre Erfahrungen aus den europäischen Sammlungen in die Diskussion um den Zugang zur Kunst ein. Bei einem Besuch im Weltkulturen Museum in Frankfurt am Main war sie erschüttert von der enormen Sammlung, die in den Depots verborgen ist. Für sie ist es inakzeptabel, dass solch bedeutende Kunstwerke nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Sie betont die wichtige Rolle, die Kunst in der Gesellschaft spielen kann, und fordert, dass diese Werke nicht nur im Museum, sondern auch im öffentlichen Raum präsentiert werden.
Die Rolle der Museen im Senegal
Die Museen im Senegal stehen vor der Herausforderung, sich neu zu erfinden und einen Zugang zu ihrer eigenen Geschichte zu schaffen. Nachdem die ersten Museen unter Léopold Sédar Senghor, dem ersten Präsidenten des Landes, nach westlichem Vorbild etabliert wurden, sind sie oftmals als elitär und unnahbar wahrgenommen worden. Sy hebt hervor, dass viele Menschen im Senegal den Zugang zu kulturellen Institutionen als beschränkt empfinden und fordert eine Demokratisierung des Zugangs zu Kunst und Bildung.
Ein Weg zur Teilhabe
Ein wichtiges Anliegen von Sy und anderen Kunstschaffenden ist es, Kunst von den Museumsmauern herauszuholen. Die Künstlergruppe Laboratoire Agit’Art und das Kollektiv Huit Facettes fordern, Kunst im öffentlichen Raum zu zeigen, um den breiten Zugang zu ermöglichen. Diese Initiativen sollen nicht nur das Bewusstsein für Kunst stärken, sondern auch das kritische Denken der Gesellschaft fördern.
Neue Perspektiven für die Kulturvermittlung
Im Rahmen ihres Forschungsprojektes „Survival Kit“ hat Sy durch die Präsentation von Reproduktionen anstelle der Originale einen Zugang zu den kulturellen Inhalten geschaffen, der einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. Sie sieht darin eine Möglichkeit, die Kontrolle der europäischen Museen über das kulturelle Erbe zu unterlaufen und es stattdessen den Menschen zu ermöglichen, ein Gefühl der Zugehörigkeit zu ihrer eigenen Kunstgeschichte zu entwickeln.
Fazit
Die Diskussion über den Zugang zu Kunst und die Teilhabe der Gesellschaft an kulturellem Erbe ist sowohl im Senegal als auch in Europa von großer Bedeutung. Ken Aïcha Sy fordert ein Umdenken nicht nur in der Denkweise der Museen, sondern auch in der Art und Weise, wie Kunst in die Gesellschaft integriert wird. Diese Veränderungen könnten entscheidend dafür sein, wie Kunst in der Zukunft wahrgenommen und genutzt wird.
– NAG