Im VW-Stammwerk in Wolfsburg, wo normalerweise das Herz des Automobilgiganten schlägt, liegt heute eine bedrückende Stimmung in der Luft. Die Hitze des Nachmittags verstärkt die drückende Atmosphäre, in der die Schichtarbeiter zum Wechsel antreten. Tausende von Mitarbeitern drängen sich durch die Tunnel, die das Werksgelände mit dem Parkplatz verbinden. Doch an diesem Tag sind ihre Gesichter von Sorgen und Unsicherheit gezeichnet, denn die Nachricht über mögliche Sparmaßnahmen des Unternehmens wirft einen Schatten auf den Alltag der Mitarbeiter.
Die Gerüchte köcheln bereits seit Tagen und die Befürchtungen nehmen Gestalt an: Je näher der Schichtwechsel rückt, desto deutlicher wird, dass eine dunkle Wolke über der Belegschaft schwebt. Die Leasingpartner sprechen von Werkschließungen und betriebsbedingten Kündigungen, was natürlich eine Welle der Angst auslöst. „Nehhh“, „keine Zeit“, „das fehlt mir noch“ sind die Reaktionen, die der Reporter am Tor 17 einfängt — es scheint als sei die Stimmung zu schlecht, um sich überhaupt dazu zu äußern.
Frauen und Männer in der Unsicherheit
Einige Meter von dem geschäftigen Tor 17 entfernt, dort wo normalerweise der Feierabend mit einem kühlen Getränk gefeiert wird, sind die Gespräche gedämpft. Die „Schichtis“, wie sie liebevoll genannt werden, sind heute nicht in der Laune für Witze. „Was jetzt kommt, wissen wir nicht“, sagt ein Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte. Andere bestätigen sein Gefühl: „Alle bei VW haben jetzt Angst.“ Man spürt, dass solche Gespräche an der „Blauen Lagune“ schnell zum Thema werden. Hier wird in der Regel weniger geschwiegen, doch die Ungewissheit lässt die Zungen schwer werden.
Ein 37-Jähriger erklärt, dass die Stimmung an seinem Arbeitsplatz schon vor der Schicht schlecht war, als die Nachrichten über das Sparprogramm in den Medien erschien. Die Leute flüstern über mögliche Schließungen und jeder ist auf der Hut. Diese Unsicherheit ist in der Druckluft zu spüren, die sich über dem Werk gelegt hat.
Die Wurzel des Übels
Die Mitarbeiter machen dafür eine „viel zu schnelle Umstellung“ auf Elektromobilität verantwortlich. Adrian Bender, der in der Motorenfertigung arbeitet, bringt es auf den Punkt: „Seitdem die Umstellungen auf E-Autos so rasch gekommen sind, ist die Situation nur noch angespannter geworden.“ Viele Fahrer finden es beunruhigend, dass sie ihre E-Autos nach 200 bis 300 Kilometern aufladen müssen. Diese Wende scheint vielen nicht nur überstürzt, sondern auch unüberlegt.
„Das Management hat die notwendigen Übergangszeiten nicht eingeplant“ sagt Bender weiter. Den Vorwurf des schlechten Managements hört man auch von seinen Kollegen. Michael, ein weiterer Mitarbeiter, sieht die Probleme nicht nur in einer allgemeinen Marktkrise, sondern vielmehr in den Entscheidungen der Konzernführung. „Wir wurden zu spät und unklug in die E-Mobilität gedrängt“, sagt er mit einem Hauch von Frustration in der Stimme.
Ein andermal spricht Rüdiger, der 58 Jahre alt ist. Auch er sieht die Schuld in Fehlinvestitionen. “Modelle wie der E-Up, die den E-Automarkt tatsächlich beleben könnten, wurden vorzeitig abgesetzt“, beklagt er. Stattdessen wäre es besser gewesen, sich auf wenige erfolgreiche Modelle zu konzentrieren. Der Rückgang der staatlichen Subventionen über 9.000 Euro habe den Markt zudem stark belastet und die Situation nur verschärft.
Wendepunkt in der Produktion
Am Mittwoch erwartet die Belegschaft des Werks Informationen vom Betriebsrat über die konkreten Sparmaßnahmen. Daniela Cavallo, die Betriebsratschefin, hat bereits angekündigt, dass man die „Spardiktate“ nicht akzeptieren werde. In einem internen Schreiben erhielt die Belegschaft die Botschaft: „Mit mir wird es keine VW-Standortschließungen geben.”
Die Frage bleibt, ob die Ansagen aus dem Büro tatsächlich genug Vertrauen schaffen, um die immer stärker werdende Angst der Mitarbeiter zu mindern. Der Werkstätige Adrian Bender lässt sich nicht ganz überzeugen: „Sichere Zeiten sind bei VW längst vorbei“, sagt er nachdenklich und blickt in die Ferne, als würde ihn die Unsicherheit des Marktes einholen.
Im Herzen des Volkswagen-Werks ist nicht nur die Angst vor persönlichen Verlusten spürbar, sondern auch der Druck, unter dem die gesamte Branche steht. Wie es weitergeht, bleibt ungewiss, während die Schichtarbeiter weiterhin durch die Tunnel strömen und der Klang der Produktionslinien auflädt, um den Puls von VW aufrechtzuerhalten.