Offenbach

Zwischen Klanggewalt und Stimmverlust: Sänger im Orchestergrabensyndrom

In dem Artikel wird thematisiert, dass immer mehr Sängerinnen und Sänger unter der lauten Musik von Opernorchestern leiden, was zu ernsthaften Herausforderungen für ihre Darbietungen führt, während Dirigenten, die oft aus dem symphonischen Bereich kommen, die Bedürfnisse der Stimmen ignorieren und die Akustik der Bühnenbilder zunehmend vernachlässigt wird - ein Problem, das sowohl bei den Bayreuther Festspielen als auch bei Produktionen wie Richard Strauss' "Salome" sichtbar wird.

In der faszinierenden Welt der Oper gibt es ein immer wiederkehrendes Problem: die Lautstärke der Orchester. Sängerinnen und Sänger stehen oft vor der Herausforderung, ihre Stimmen gegen das gewaltige Klangvolumen der Instrumente durchzusetzen. Eine Diskussion, die immer mehr in den Mittelpunkt rückt, aber aus verschiedenen Gründen selten laut ausgesprochen wird. Das Thema bleibt ein Tabu, da viele befürchten, ihre Fähigkeiten und ihre Ausdauer in Frage gestellt zu sehen.

Ein konkretes Beispiel illustriert diese Problematik: Richard Strauss‘ Oper „Salome“, für die er ein beeindruckendes Orchester von rund 110 Musikern vorgesehen hat. Für das Publikum ist diese musikalische Überfülle eine Quelle der Faszination, während die Sänger auf der Bühne in Alarmstimmung geraten könnten. Mangelnde Rücksichtnahme von einigen Dirigenten verstärkt diese Situation. Doch es gibt Stimmen, die sich nicht scheuen, die Schwierigkeit anzusprechen.

Die Herausforderungen der Sänger

Der Tenor Benjamin Bernheim spricht über die Veränderungen, die Orchester in den letzten Jahrhunderten durchlaufen haben. Dank modernster Instrumente sind die Klänge nicht nur kraftvoller, sondern auch höher. „Wir müssen uns intensiver mit diesen Themen beschäftigen, um Singende zu schützen“, sagt er. Viele talentierte Sänger haben sich bereits zu früh in ihrer Karriere „übersungen“. Er selbst hat kürzlich bei einer Premiere erlebt, dass die einzige Möglichkeit, gegen die massive Klangwucht eines Orchesters anzukommen, manchmal darin besteht, die eigene Stimme extrem zu forcieren.

Diese Erfahrungen teilt auch die Sopranistin Marlis Petersen, die betont, dass die künstlerische Qualität der Oper oft in den Hintergrund gedrängt wird, während das Orchester im Vordergrund steht. „Da sind viele Egos unterwegs unter den Dirigenten“, sagt sie. Diese Situation ist besonders für Sängerinnen problematisch, die keine „Stahlstimme“ besitzen, aber dennoch herausfordernde Rollen übernehmen müssen.

„Ich habe die Salome nur gesungen, weil Kirill Petrenko sehr sensibel dirigierte“, erzählt sie von ihrer Aufführung an der Bayerischen Staatsoper. Petrenko hatte die orchestral-materielle Rücksichtnahme zur Bedingung gemacht, um Petersen die Möglichkeit zu geben, sich musikalisch zu entfalten. Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass Dirigenten auch auf die Bedürfnisse der Sänger eingehen.

Der Einfluss des Dirigenten

Tenor Piotr Beczala bringt eine ähnliche Perspektive mit ein.
Die Streben der Dirigenten, einen voluminösen Klang zu erzeugen, führt manchmal dazu, dass die Sängerinnen und Sänger untergehen. „Dirigenten aus dem symphonischen Repertoire scheinen oft weniger Verständnis für die speziellen Anforderungen der Opern zu haben“, so Beczala. Der Mangel an echten Opernkapellmeistern auf den großen Positionen führt dazu, dass Sänger in ihrer Kunst eingeschränkt werden.

Der renommierte Dirigent Christian Thielemann äußert sich ebenfalls dazu. Er hebt hervor, dass das Erlernen des „Handwerks“ und die Sensibilität in der Arbeit mit Stimmkunst eine längere Einarbeitungszeit benötigen. Echte Kapellmeister durchlaufen einen Entwicklungsprozess, der ihre Fähigkeit verbessert, Sänger durch schwierige musikalische Passagen zu führen. „Die heutigen Dirigentinnen und Dirigenten haben oft nicht den nötigen Erfahrungshorizont, um die Bedürfnisse der Sänger richtig zu verstehen“, sagt Thielemann und schlägt vor, dass auch die Intendanten mehr Verantwortung übernehmen sollten.

Die Akustik der Bühnenbilder hat zudem einen erheblichen Einfluss auf die Leistung der Sänger. Schlecht gestaltete Bühnen können die akustische Wahrnehmung verderben, sodass die Stimmen der Sänger kaum zur Geltung kommen. Regisseure und Bühnenbildner sollten in der Lage sein, frühzeitig mit den Musikern über akustische Herausforderungen zu sprechen. Roland Kluttig, ein erfahrener Dirigent, hat in einem Artikel darauf hingewiesen, dass akustische Probleme oft noch während der Schlussproben erkannt werden und die Bühnenbildner bereit sein müssen, Anpassungen vorzunehmen.

In dieser komplexen Umgebung müssen Sänger und Musiker ständig miteinander kommunizieren, um die Herausforderungen der heutigen Opernaufführungen meistern zu können. „Immer öfter hört man von Sängern, dass sie sich in einem Meer von Orchesterklang verloren fühlen“, bemerkt Thielemann. „Doch jammern bringt nichts.“ Vielmehr sei der Dialog und das Verständnis der Schlüssel, um in der modernen Oper erfolgreich zu bestehen.

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