Das West-Nil-Virus, ursprünglich aus Afrika, hat in den letzten Jahren in Deutschland zunehmend Aufmerksamkeit erregt. Vor allem durch seine Übertragung von Mücken, konkret der Gattung Culex, zeigt das Virus, dass es nicht nur Vögel und Pferde betrifft, sondern auch Menschen gefährden kann. Diese Woche wurde ein erster Fall dieses Jahres einer durch heimische Mücken übertragenen Infektion bekannt, was die Alarmglocken bei Experten läutet.
Ein bemerkenswerter Fall betrifft eine Frau aus einer sächsischen Grenzregion zu Brandenburg. Das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin gab bekannt, dass der Nachweis dieser Infektion zufällig während einer Blutspende-Untersuchung entdeckt wurde. Dies erinnert daran, wie heimtückisch und oft unbemerkt das West-Nil-Virus verläuft. Bis zum 23. August wurden zudem drei zusätzliche Fälle registriert, bei denen sich die betroffenen Frauen während Reisen in andere Länder infiziert hatten.
Erhöhte Warnung von Experten
Jonas Schmidt-Chanasit, ein renommierter Virologe vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, äußerte sich besorgt über eine „erhöhte Aktivität“ des Virus in Deutschland. Seine Aussagen stützen sich auf eine signifikante Anzahl von Infektionen, die unter Vögeln und Pferden dokumentiert wurden. Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass bis zum 23. August 2014 18 nachgewiesene Fälle bei Vögeln, darunter auch ein Habicht in Berlin, sowie 14 Fälle bei Pferden gemeldet wurden. Die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen sind laut RKI am stärksten betroffen.
Eine der größten Herausforderungen in der Diagnostik ist die Tatsache, dass viele Infektionen unerkannt bleiben. Rund 80 Prozent der Menschen, die sich mit dem Virus infizieren, zeigen keine Symptome. Lediglich etwa 20 Prozent entwickeln milde Symptome wie Fieber oder einen Hautausschlag, die jedoch oft nicht als bedeutsam wahrgenommen werden. Schlimmere Verläufe sind zwar selten, betreffen jedoch oft ältere Menschen mit bestehenden Vorerkrankungen. Nur ungefähr ein Prozent der Infektionen führt zu ernsthaften, neuroinvasiven Erkrankungen.
Ein entscheidendes Signal für die steigende Bedrohung ist die hohe Zahl an auffälligen Blutproben, die an die Gesundheitsbehörden gesendet wurden. Schmidt-Chanasit weist jedoch darauf hin, dass einige Tests auch für das Usutu-Virus anschlagen, das gegenwärtig ein massives Amselsterben in Deutschland verursacht. Dies führt zu einer zusätzlichen Verwirrung in der Diagnostik, da eine klare Unterscheidung zwischen den Viren oft schwierig ist.
Die möglichen zukünftigen Entwicklungen des West-Nil-Virus in Deutschland scheinen besorgniserregend. Schmidt-Chanasit warnt vor einem Anstieg der Infektionen, insbesondere wenn das Virus in stark besiedelte Gebiete wie das Rhein-Main-Gebiet gelangt. Die klimatischen Bedingungen dort könnten bald optimal für die Verbreitung des Virus werden, falls es noch nicht in der Region angekommen ist.
Die Historie des West-Nil-Virus zeigt, dass das erste Aufeinandertreffen in Europa in den 1960er Jahren war. In Deutschland wurde erstmals 2018 ein infizierter Vogel gefunden, während 2019 das RKI die ersten menschlichen Infektionen feststellte. Die Wahrscheinlichkeit eines Anstiegs von Infektionen in den kommenden Jahren ist durch den Klimawandel und die damit verbundenen günstigeren Bedingungen für das Virus deutlich erhöht.
Die dramatischen Schilderungen des US-Virologen Anthony Fauci, der kürzlich an einer schweren Infektion mit dem Virus litt und eine Woche im Krankenhaus verbringen musste, verdeutlichen die Gefahren, die vom West-Nil-Virus ausgehen können. Seine persönliche Erfahrung als „die schlimmste Krankheit“ in seinem Leben unterstreicht die Relevanz aktueller Warnungen von Fachleuten und die Notwendigkeit einer wachsamen Überwachung des Virus in Deutschland.
dpa/sk