Braunschweig. Am heutigen Dienstag, dem 3. September, stehen die Vorwürfe gegen Martin Winterkorn, den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Volkswagen-Konzerns, im Fokus des Wirtschaftsstrafverfahrens vor dem Landgericht Braunschweig. Das Verfahren befasst sich mit drängenden Anklagen, die sich um die mutmaßliche Verwendung von Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerungssoftware von VW-Fahrzeugen drehen. Diese Technik sei dazu benutzt worden, um in Tests die Emissionswerte zu optimieren, wohingegen auf der Straße höhere Schadstoffemissionen auftraten.
Die Hauptanklage umfasst schwere Vorwürfe wie banden- und gewerbsmäßigen Betrug, uneidliche Falschaussage und Marktmanipulation. Zentrale Behauptung ist, dass der milliardenschwere Automobilkonzern seine Käufer über die tatsächlichen Eigenschaften seiner Fahrzeuge täuschte, insbesondere durch die Anwendung der besagten Software, die die Abgaswerte nur im Rahmen von Testbedingungen einhielt. Dies hat für viele Käufer zu erheblichen finanziellen Verlusten geführt.
Der Fall und die Abtrennung
Ursprünglich umfasste die Anklage fünf Beschuldigte aus dem oberen Management von Volkswagen, darunter auch Martin Winterkorn. Aufgrund gesundheitlicher Probleme wurde jedoch sein Verfahren abgetrennt, und die anderen vier Angeklagten stehen seit September 2021 im Mittelpunkt der Hauptverhandlung. Während der aktuelle Prozess weiterläuft, wird insbesondere die Beweisaufnahme intensiv verfolgt.
Ein weiterer kritischer Punkt der Anklage bezieht sich auf eine vermeintlich falsche Aussage Winterkorns während einer Anhörung vor einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages am 19. Januar 2017. Hierbei behauptete er, erst im September 2015 von den Manipulationen erfahren zu haben. Nach den Unterlagen der Staatsanwaltschaft war er jedoch bereits früher informiert und hätte das Parlament entsprechend darüber aufklären müssen.
Nachrichtspflicht und Kapitalmarkt
Ein dritter Anklagepunkt behandelt die Vorwürfe der Marktmanipulation, die Winterkorn zur Last gelegt werden. Trotz Kenntnis über die unzulässige Software zu einem Zeitpunkt, als erhebliche finanzielle Risiken durch mögliche Schadensersatzforderungen absehbar waren, soll er diese Informationen vorsätzlich nicht rechtzeitig an den Kapitalmarkt weitergegeben haben. Nach dem Wertpapierhandelsgesetz sind Führungskräfte von börsennotierten Unternehmen dazu verpflichtet, relevante Ereignisse unverzüglich zu kommunizieren.
Die dramatischen Events, welche die Automobilindustrie durch den sogenannten Diesel-Skandal erschüttert haben, verdeutlichen, wie komplex die rechtlichen Herausforderungen im Altfall VW sind. Die Enthüllungen über die Softwaremanipulation und deren Auswirkungen auf die Marktintegrität haben nicht nur das Ansehen des Unternehmens massiv beschädigt, sondern auch das Vertrauen der Verbraucher in die Branche insgesamt. Dies ist der Hintergrund, vor dem der Prozess um Martin Winterkorn abläuft.
Die Anklage ist nicht ohne Folgen: Im Mai 2020 wurde das Verfahren gegen andere hochrangige VW-Manager, die ähnliche Vorwürfe angingen, nach Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Die gegen Martin Winterkorn erhobenen Vorwürfe stellen hingegen eine der letzten Chancen für die Justiz dar, die Verantwortung für die im Volksmund als „Dieselskandal“ bekannten Manipulationen zu klären.