Das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) in Bamberg hat eine aufschlussreiche Untersuchung zu den Bildungsprozessen in der politischen Bildung durchgeführt. Das Ziel war es, den Einfluss der politischen Regierungsparteien auf die Lehrpläne in Deutschland zu beleuchten. Die umfassende Analyse betrachtete den Zeitraum von 1949 bis 2019 und zog interessante, teilweise überraschende, Schlüsse über die Verteilung und den Stellenwert des Faches „Politik“ in den Schulen.
In diesen Bildungsforschungsprozessen wurde festgestellt, dass der Einfluss der Landesregierung auf die Anzahl der Unterrichtsstunden im Fach Politik erheblich war. Laut Norbert Sendzik vom LIFBi-Forschungsteam wurde unter der Aufsicht konservativer Parteien, insbesondere der CDU, weniger politischer Unterricht angeboten. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Stundenanzahl deutlich, wenn sozialdemokratische Parteien wie die SPD an der Regierung beteiligt waren. Dieses Ergebnis zeigt, wie stark politische Konstellationen die politische Bildung von Schülern prägen können.
Der Wandel der politischen Bildung über die Jahrzehnte
Ein weiterer signifikanter Aspekt der Studie ist der Anstieg der Unterrichtsstunden für das Fach Politik seit den 1970er Jahren. Die Auswertungen ergaben, dass die Bedeutung des Faches innerhalb der letzten Jahrzehnte stark zugenommen hat, wobei in vielen Bundesländern die Unterrichtszeit bis in die 1990er Jahre nahezu verdoppelt wurde. Interessanterweise gab es von Bundesland zu Bundesland erhebliche Unterschiede in der Anzahl der gebotenen Stunden. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel bot um die Jahrtausendwende sieben Wochenstunden Politikunterricht an, während in Bayern und Sachsen lediglich zwei Wochenstunden vorgesehen waren.
Unterschiedliche Schulformen und ihre Auswirkungen
Die Ergebnisse der Studie beleuchten zudem die Unterschiede in der politischen Bildung zwischen verschiedenen Schulformen. Dabei wurde festgestellt, dass Schüler an nicht-gymnasialen Schulen in der Regel mehr Stunden im Fach Politik erhalten als ihre Altersgenossen am Gymnasium. Diese Erkenntnis überrascht, zumal andere Studien darauf hindeuten, dass Gymnasiasten tendenziell eine intensivere politische Bildung genießen als Schüler an anderen Schularten.
Doch wie wichtig ist die Quantität der politischen Bildung wirklich? Marcel Helbig, Co-Autor der Studie, macht deutlich, dass die blosse Anzahl der Unterrichtsstunden nicht das entscheidende Kriterium sein sollte. Viel wichtiger sei, welche Inhalte vermittelt werden und in welcher Form der Unterricht gestaltet ist. Interaktive Elemente wie Planspiele, bei denen Schüler politische Entscheidungen nachspielen, oder Klassenwahlen, die demokratische Prozesse simulieren, könnten einen erheblichen Einfluss auf das Verständnis und die Förderung demokratischer Werte haben.
Die Rolle der Lehrkräfte
Für eine effektive politische Bildung, die über reine Wissensvermittlung hinausgeht, sind engagierte Lehrkräfte unerlässlich. Helbig betont, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Schulen und lokalen Abgeordneten notwendig sei, um beispielsweise interessante Veranstaltungen mit Politikern zu ermöglichen. Es bedarf eines Rahmens, in dem solche Aktivitäten im Unterricht vorgesehen sind, damit Schüler ein aktives und lebendiges Verständnis von Demokratie entwickeln können.
Die Studie hebt zudem hervor, dass Bayern im bundesweiten Vergleich beim Unterricht in politischer Bildung hinterherhinkt. Laut Studienergebnissen der Universität Bielefeld belegt Bayern seit Jahren die letzten Plätze im nationalen Ranking zur politischen Bildung sowohl an Gymnasien als auch an nicht-gymnasialen Sekundarstufen. Dies hat zu einem politischen Vorstoß der Grünen in dem Bundesland geführt, die eine stärkere Einbindung der politischen Bildung in den Schulunterricht fordern.