Fulda (as/pm) – Ein neues Kapitel in der hessischen Justiz wird aufgeschlagen. Bei einem kürzlich abgehaltenen Jahrespressegespräch informierte Landgerichts-Präsident Dr. Jochen Müller über bedeutende Entwicklungen, die sowohl die Effizienz als auch die Struktur der Justiz in Fulda nachhaltig beeinflussen werden. Im Fokus standen unter anderem die Digitalisierung der Aktenführung sowie die bevorstehenden Sanierungsmaßnahmen im Justizzentrum.
Der Wandel hin zu einer digitalen Akte, die sogenannte E-Akte, ist für die Justiz in Fulda von enormer Bedeutung. Diese Modernisierung der Verfahren hat bereits am 1. März 2023 begonnen und umfasst seither alle Ein- und Ausgänge in Verfahren erster und zweiter Instanz. Am 1. September 2023 wurde diese Neuerung auch auf die Amtsgerichte im Bezirk ausgeweitet. Dr. Müller beschreibt diesen Schritt als „eine Zeitenwende für die Justiz“. Die schnelle Umsetzung vor dem gesetzlich festgelegten Stichtag 2026 zeigt nicht nur Fortschritt, sondern auch dem Handlungswillen, mit dem die Justiz die Herausforderungen der Digitalisierung angeht.
Steigende Fallzahlen und Personalmangel
Die Zahlen bezüglich der Verfahrenseingänge im Amtsgericht Fulda zeigen einen leichten Anstieg. Im Jahr 2023 wurden beispielsweise 869 neue Verfahren ohne Strafbefehlsverfahren registriert, während 924 Strafsachen erledigt wurden. Im Zivilrecht wurden 1222 neue zivilrechtliche Verfahren registriert, wobei 1106 erfolgreich abgeschlossen wurden. Dies stellt die Mitarbeitenden vor erhebliche Herausforderungen, unterstreicht Dr. Müller, der eine Belastungsquote von rund 102,4 Prozent für die Richterinnen und Richter und 118,73 Prozent für die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger anmerkt. Der Fachkräftemangel ist ein zentrales Thema, das die Justiz betrifft. Die Anzahl der Auszubildenden am Amtsgericht fiel von 43 im Vorjahr auf nur 23 im Jahr 2023, was die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Personalgewinnung verdeutlicht. Gleichzeitig wird die Schaffung einer sechsten Strafkammer als ein positiver Schritt gewertet, der Entlastung bringen soll.
Die Digitalisierung hat nicht nur technische, sondern auch kulturelle Auswirkungen auf die Arbeit der Justiz. Der Wechsel zur elektronischen Akte erforderte Schulungen und eine Anpassung der Arbeitsabläufe. Trotz anfänglicher Herausforderungen erkennen die Mitarbeitenden die Vorteile, die ein effizienteres Arbeiten mit sich bringt. Dabei wird jedoch auch klargestellt, dass die Rechtsprechung weiterhin in der Hand von Menschen liegen wird, auch wenn moderne Technologien vertrauensvoll in den Arbeitsprozess integriert werden sollen.
Sanierung des Justizzentrums und demographischer Wandel
Ein weiterer zentraler Punkt, der vorgestellt wurde, ist die anstehende Sanierung des Justizzentrums Fulda. Nach dem Auszug des Finanzamtes wurde der erste Schritt zur Modernisierung des Finanzamtsflügels bereits in Angriff genommen. Laut den Plänen wird diese Maßnahme bis 2025 abgeschlossen sein, gefolgt von der Sanierung des Justizflügels zwischen 2026 und 2027. Diese umfassenden Sanierungsarbeiten werden nicht nur die Infrastruktur und die IT-Anforderungen der elektronischen Akte verbessern, sondern auch den Raumbedarf aufgrund des Personalzuwachses anpassen. Hiermit könnte Fulda ein modernes Justizzentrum entstehen, das den Anforderungen der Zeit gerecht wird.
Ein langfristiges Problem, mit dem die Justiz konfrontiert ist, ist der demographische Wandel. Die Justiz in Hessen hat verschiedene Maßnahmen ergriffen, um qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu halten. Programme wie die “Justizassistenz” und die “Assessorbrücke” sollen sicherstellen, dass junge Juristinnen und Juristen frühzeitig an die Justiz herangeführt und langfristig gebunden werden. Diese Programme ermöglichen es Referendaren, praktische Erfahrungen zu sammeln und die Qualität der Justiz zu steigern. Auch im nichtrichterlichen Bereich gibt es Bestrebungen, durch erhöhte Ausbildungsplätze und das Angebot von Home-Office-Arbeitsplätzen die Attraktivität zu steigern und den Herausforderungen des Arbeitsmarktes zu begegnen.