In Nidda, in der Wetteraukreis-Region, durchlebt die Spezialpapierfabrik Ober-Schmitten erneut eine schwere Krise. Die Geschäftsführung hat beim Gericht in Friedberg ein vorläufiges Insolvenzverfahren beantragt, was rund 200 Mitarbeiter und fünf Auszubildende in große Ungewissheit stürzt. Diese Nachricht erschütterte die Belegschaft, die am Mittwochmorgen von dem ernsten Schritt erfuhr. Die Arbeiter stehen in kleinen Gruppen auf dem Werksgelände und fragen sich, wie es soweit kommen konnte. Viele Erinnerungen an die vergangenen Monate kreisen in den Köpfen, als die Hoffnung auf eine positive Wende noch frisch war, nachdem die IS Holding die Fabrik im August 2023 übernommen hatte.
Die Stimmung unter den Mitarbeitern ist angespannt. Sie erinnern sich an die Proteste vor einem Jahr gegen die Schließung der traditionsreichen Papierfabrik durch den Konzern Glatfelter. Vor wenigen Monaten präsentierten die Geschäftsführer der Gesellschaften ISH Paper und der Spezialpapierfabrik Ober-Schmitten, Ilkem Sahin und Karani Gülec, große Pläne. Im April wurden ehrgeizige Investitionen in Höhe von 500 Millionen Euro angekündigt, um eine fünfte Papiermaschine zu installieren, die in das Portfolio des international agierenden Unternehmens integriert werden sollte.
Anzeichen der Krise werden sichtbar
Trotz dieser hoffnungsvollen Ankündigungen begannen sich schon bald Probleme abzuzeichnen. Es gab Konflikte zwischen Gewerkschaftsvertretern und dem Arbeitgeber bezüglich der Arbeitszeiten. Zudem gab es Meldungen über eine mögliche Insolvenz eines Felgenherstellers, der erst kürzlich von der IS Holding übernommen worden war. Die Unsicherheiten verstärkten sich, als die Übernahme einer Schokoladenfabrik in Oderwitz gescheitert war. Der Druck auf die Leiter der Papierfabrik nahm zu, doch Antworten blieben aus.
Die Geschäftsführung war immer schlechter zu erreichen, was Fragen zur Unternehmensstrategie und zur fünften Papiermaschine aufwarf. Verärgerte Mitarbeiter berichteten von ausbleibenden Löhnen und offenen Rechnungen bei Lieferanten. Diese Entwicklungen führten dazu, dass das Vertrauen in die Unternehmensführung schwand.
Bürgermeister und Belegschaft zeigen sich geschockt
Die Nachrichten über die Insolvenz überraschten auch den Werkleiter Hagen Knodt, der sich zu diesem Zeitpunkt im Urlaub befand. „Das ist ein Schock, es zieht mir die Schuhe aus“, erklärte er, als er von der Situation erfuhr. Die Wiederkehrer, die in der Hoffnung auf eine positive Entwicklung in die Firma zurückgekehrt waren, fühlen sich besonders betrogen. Niddas Bürgermeister Thorsten Eberhard äußerte sein Unverständnis über die plötzliche Insolvenz und betonte, dass er diesen Schritt so nicht nachvollziehen könne. „Ich bin mega-enttäuscht, sprachlos und kann das Ganze noch nicht einordnen“, fügte er hinzu.
Andreas Müth, ein langjähriger Mitarbeiter, vergleicht die jetzige Situation mit der Insolvenz vor 30 Jahren, die er ebenfalls miterlebt hatte. „Man fühlt sich in diese Zeit zurückversetzt“, sagte Müth und betonte den hohen Investitionsbedarf der Fabrik, um die Produktion aufrechtzuerhalten. Er äußerte zugleich, dass eine klare Gesetzgebung zur Plastiksteuer die ideale Lösung für die aktuellen Herausforderungen darstellen würde.
Es bleibt abzuwarten, welche Möglichkeiten der Insolvenzverwalter in den kommenden Wochen haben wird. Sowohl die Gewerkschaftssekretärin Astrid Rasner als auch Werkleiter Hagen Knodt hoffen, dass die Produktion der Spezialpapiere in Ober-Schmitten fortgesetzt werden kann. Die Belegschaft zeigt sich krisenerprobt, und viele warten nun gebannt auf die nächsten Schritte in diesem ungewissen Verfahren.