Es gibt Orte, die trotz ihrer Herausforderungen zu wahrhaften Vorreitern in bestimmten Branchen werden. Ein solches Beispiel ist Gelsenkirchen, das in der Schlauchproduktion an die Weltspitze gelangt ist. Im Herzen der Stadt, wo man das hektische Treiben der Maschinen hört, begegnen wir Sebastian Freith, der als „Schlauch-Flüsterer“ bekannt ist. „Gelsenkirchen wurde oft als Nabel der Schlauchwelt bezeichnet“, erklärt er mit einem Schmunzeln, während um ihn herum das Geräusch der Produktion zu hören ist.
Die Norres Baggerman Gruppe, seit 130 Jahren ein fester Bestandteil dieser Region, hat sich als weltweit führender Hersteller von Schläuchen etabliert. Im vergangenen Jahr hat die Firma bemerkenswerte 4,5 Millionen Meter Schlauch in alle Ecken der Erde verschickt. Ihre Produkte sind unverzichtbar, sei es bei der Feuerwehr, in der Landwirtschaft oder in der Lebensmittelindustrie. Doch es gibt noch mehr zu erzählen: Der größte Konkurrent von Norres produziert ebenfalls in Gelsenkirchen, was die Stellung der Stadt in dieser Branche weiter unterstreicht.
Vorteile und Perspektiven der Region
Trotz der zahlreichen Probleme, die Gelsenkirchen plagen – es ist eine der ärmsten Städte Deutschlands – hat die Region auch durchaus Vorteile zu bieten. Für Unternehmen sind die Immobilienpreise hier vergleichsweise niedrig, und die Anbindung an wichtige Verkehrswege ist gut. „Wir sind regional verwurzelt; in Gelsenkirchen arbeiten 200 unserer 400 Mitarbeiter“, unterstreicht Albert Cordewener, CEO der Norres Baggerman Gruppe. Er betont, dass die Verbindung zu dieser Stadt für das Unternehmen von enormer Bedeutung ist: „Das hier nimmt man nicht weg, Gelsenkirchen ist für uns extrem wichtig.“
Gelsenkirchen ist jedoch nicht der einzige Ort im Ruhrgebiet, der bemerkenswerte Fortschritte macht. Bottrop steht ebenfalls im Rampenlicht, insbesondere wegen seines Engagements in der nachhaltigen Energietechnologie. Es ist die Stadt mit der höchsten Wärmepumpendichte in Deutschland und kommt in Nordrhein-Westfalen an die Spitze, wenn es um Solardächer geht.
Der Erfolg Bottrops ist eng mit dem Projekt „Innovation City Ruhr“ verbunden, das 2010 ins Leben gerufen wurde. Dies war der erste Versuch, eine industrielle Stadt umfassend energetisch zu sanieren. Alte Industrien, die einst das Bild der Stadt bestimmten – Kohle und Stahl – haben Platz gemacht für innovative Lösungen. Stefan Heidrich, der in Bottrop tätig ist und eine Firma für Solar- und Wärmepumpentechnologien leitet, beschreibt den Umbruch: „Früher war das hier eine typische Malocherstadt, es ging nur um Kohle und Stahl, alles grau mit Staub in der Luft.“
Ein neuer Weg für alte Städte
Die Transformation Bottrops ist nicht nur technologisch, sondern auch eine Frage der Identität. Die Menschen hier haben die Möglichkeit, sich von den alten Strukturen zu lösen und neue Arbeitsfelder zu erschließen. Die Stadt, die einst für ihre Kohleminen bekannt war, nutzt nun die Chance, als Vorreiter in der Energiewende zu agieren. Heidrich erzählt, wie er am Bottroper Friedel Scheulen eine neue Anlage zur Wärmepumpentechnologie einrichtet und wie sich die Stadt von einem grauen Industrieort zu einem innovativen Zentrum wandelt.
Diese Geschichten von Gelsenkirchen und Bottrop zeigen, dass das Ruhrgebiet weit mehr ist als nur ein Raum des Wandels; es ist eine Region im Aufbruch. Sie fordert uns heraus, die bestehenden Klischees zu überdenken und die vielschichtigen Entwicklungen in diesen Städten wahrzunehmen. Wo man einst nur Staub und Kohle sah, gibt es nun frische Ideen und neue Wege. Es ist ein Beweis dafür, dass selbst unter den schwierigsten Umständen positive Veränderungen möglich sind.