Im Landkreis Rotenburg (Wümme) in Niedersachsen setzt eine neue Regelung für die Verwaltung ein deutliches Zeichen in der Debatte um geschlechtergerechte Sprache. Ab Anfang Oktober 2024 wird in der internen Verwaltungsvorschrift ausschließlich weibliche Dienstbezeichnungen verwendet. Dieser Schritt betrifft die Allgemeine Dienst- und Geschäftsanweisung der Landkreisverwaltung, in der die Abläufe und Vorschriften für die rund 1100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter festgehalten sind. Anstelle des bisher genutzten generischen Maskulinums liegt der Fokus nun ganz auf den weiblichen Formen, beispielsweise wird künftig von der „Dezernentin“ und nicht mehr vom „Dezernenten“ gesprochen.
Diese Entscheidung ist nicht nur ein formaler Akt, sondern ein bewusstes Signal des Landrat Marco Prietz, der die Initiative angestoßen hat. Er gab zu, dass er durch die ausschließliche Verwendung männlicher Schreibweisen in der heutigen Zeit Unbehagen empfindet. Prietz, Mitglied der CDU, betont, dass in der Kreisverwaltung in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte in der Gleichstellung erzielt wurden. Tatsächlich werden drei von vier Dezernaten von Frauen geleitet, was zeigt, dass der Landkreis einen bedeutenden Anteil weiblicher Führung hat.
Ein pragmatischer Schritt zur Lesbarkeit
Um die Lesbarkeit zu verbessern, verfolgt die Verwaltung den Ansatz, weiterhin nur ein Geschlecht in den internen Dokumenten zu verwenden. „Das Ziel ist es, eine barrierearme, möglichst einfache Sprache zu schaffen, die vielen Menschen intuitiv zugänglich ist“, erklärt Prietz. Ein redaktioneller Hinweis am Anfang der Vorschrift klärt, dass die ausschließliche Verwendung weiblicher Bezeichnungen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfasst. Auf diese Weise will der Landkreis den Anforderungen an moderne Kommunikation gerecht werden, die sowohl Geschlechtergerechtigkeit als auch Verständlichkeit vereint.
Diese Entscheidung ist nicht ohne Kontroversen, denn der Schritt hat gemischte Reaktionen ausgelöst. Der Landesfrauenrat in Niedersachsen äußerte Bedenken hinsichtlich der Präzision dieser Regelung. Barbara Hartung, die Vorsitzende des Rates, sieht in der Einführung des Femininums zwar einen Ansatz zur ausgleichenden Gerechtigkeit nach Jahrhunderten des generischen Maskulinums, jedoch plädiert sie für eine Sprache, in der sowohl Frauen als auch Männer sichtbar sind. „Wir können das nicht als generelle Regelung unterstützen“, so Hartung, „eine geschlechtergerechte Sprache sollte beide Geschlechter ansprechen.“
Die Debatte um geschlechtergerechte Sprache ist aktuell und emotional aufgeladen. Prietz beschreibt seinen eigenen Instagram-Post über diese Entscheidung als einen mutigen Schritt in einer polarisierten Diskussion, die oft von Feindseligkeiten geprägt ist. Viele Rückmeldungen seien positiv, insbesondere von den Mitarbeiterinnen der Verwaltung, während auch Hasskommentare nicht ausblieben. Dennoch überwiegt die Zustimmung im Kreise der Belegschaft.
Abgesehen von der neuen Dienstanweisung beabsichtigt der Landkreis, den bisherigen Sprachgebrauch in Außenkommunikationen, wie im Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern oder in sozialen Netzwerken, beizubehalten. „Jeder wird mit der Anrede angeschrieben, die sie oder er wünscht“, versichert die Sprecherin der Behörde, was einen weiterhin respektvollen Umgang mit den verschiedenen Identitäten und Wünschen der Menschen unterstreicht. Diese abgestufte Herangehensweise zeigt, dass der Landkreis sich den Herausforderungen der modernen Sprache anpassen möchte, ohne bestehende Kommunikationsstrukturen grundlegend zu verändern.