Im Stadtteil Prohlis von Dresden, wo die Hochhäuser um den Jakob-Winter-Platz gruppiert sind, mag es so erscheinen, als sei das jüdische Leben weit entfernt. Doch dieser Eindruck ist täuschend: In einem kleinen Ladenlokal im Erdgeschoss haben sich die Türen weit geöffnet und laden ein.
Hier lebt der „Jüdische FrauenVerein“, ein Ort der Begegnung und des Austauschs für Frauen, die aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland gekommen sind. Die 75-jährige Yalta Shamaryayeva ist eine von ihnen. Mit ihrer Geschichte ist sie Teil eines kulturellen Erbes, das die Gemeinschaft der Migrantinnen in Dresden prägt.
Ein Zuhause finden
Yalta kam vor mehr als 15 Jahren aus Baku, Aserbaidschan, in die Elbestadt. Die Ankunft in einem neuen Land ist oft eine Herausforderung, und so findet sie in diesem kleinen Café eine Oase des Vertrauens, wo die Sprache der neuen Heimat noch fremd ist. Hier trifft man sich zu Kaffee und Tee, um über die eigenen Erfahrungen zu sprechen und um neue Freundschaften zu schließen.
Der „Jüdische FrauenVerein“ ist mehr als nur ein Treffpunkt; er ist auch ein Symbol der Unterstützung und Integration für die über 200.000 jüdischen Einwanderer, die Deutschland nach der Wiedervereinigung aufgenommen hat. Gegründet wurde der erste Frauenverein in Dresden bereits 1791, als wohlhabende Jüdinnen Neuankömmlingen aus dem Osten Hilfe leisteten.
Die heutige Vorsitzende, Elke Preusser-Franke, ist seit 25 Jahren an der Spitze des Vereins. Sie wurde 1942 in Dresden geboren und erlebt mit ihrem Verein eine Fortsetzung der Tradition, die Frauen in schwierigen Lagen zur Seite zu stehen. Preusser-Franke erinnert sich an ihre eigene Kindheit und die Schatten der Vergangenheit ihrer Familie. Ihre Mutter wurde Opfer des Holocausts, doch die Großeltern fanden einen Weg zu überleben.
Jede Frau bringt ihre eigene Geschichte mit. Polina Leckner, die als Kind in die Südsibirien evakuiert wurde, begegnete nach Jahrzehnten erst in Dresden den Facetten jüdischen Lebens. Sie sieht sich nicht mit dem Antisemitismus konfrontiert, da sie in der Stadt bisher nur positive Erfahrung gemacht hat und hofft, dass dies so bleibt.
Gemeinschaft über Grenzen hinweg
Das Leben des Vereins zeigt, wie Menschen aus verschiedenen Hintergrund zusammenfinden können. Auch Frauen, die keine jüdischen Wurzeln haben, finden im Verein einen Platz. Die Ukrainerin Ludmila Masyukova, deren Tochter noch in Charkiw lebt, hat in der Gemeinschaft Trost gefunden, besonders in schwierigen Zeiten, als ihr Ehemann schwer erkrankte.
Swetlana Winuk, ebenfalls Ukrainerin, spricht über die Spannungen, die zwischen den Frauen aus den verschiedensten Regionen, insbesondere seit dem Krieg in der Ukraine, zugenommen haben. Doch die kleinen Momente des gemeinsamen Genusses – sei es bei einer Tasse Kaffee oder einem Stück selbstgebackener Torte – helfen, diese Differenzen zu überbrücken. In der vertrauten Sprache Russisch kommen sie ins Gespräch und stärken so die Gemeinschaft.
In dieser kleinen Oase im Dresdner Plattenbauviertel wird deutlich, dass Integration nicht nur geografische Bewegungen umfasst, sondern auch das Teilen von Lebensgeschichten, Emotionen und einer gemeinsamen Hoffnung auf eine friedliche Zukunft, in der jede Frau ihren Platz findet.