Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat klare Absichten, die Regulierung asiatischer Online-Shopping-Portale wie Temu und Shein zu verschärfen. Ein Aktionsplan, der dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vorliegt, sieht unter anderem die Abschaffung der Zollfreigrenze von 150 Euro vor. „Wer online einkauft, muss sich auf sichere und unbedenkliche Produkte verlassen können. Giftige Substanzen gehören nicht in Kleidung oder Spielzeuge“, erklärte Habeck. Damit zielt er darauf ab, faire Wettbewerbsbedingungen für deutsche und europäische Unternehmen zu schaffen, die durch die Umgehung geltender Vorschriften durch asiatische Anbieter benachteiligt werden.
Die Beliebtheit von Shein und Temu in Deutschland ist unbestreitbar, was vor allem auf die attraktiv niedrigen Preise zurückzuführen ist. Doch diese Plattformen stehen immer wieder in der Kritik. Handelsvertreter, Politiker und Verbraucherschützer äußern Bedenken hinsichtlich der Produktqualität, unzureichender Kontrollen und der Wettbewerbsbedingungen, die als unfair empfunden werden. Die Anbieter selbst wehren sich vehement gegen diese Vorwürfe.
Notwendige Maßnahmen zur Regulierung
Laut dem Aktionsplan plant das Bundeswirtschaftsministerium eine intensivere Kooperation und erweiterte Befugnisse der nationalen sowie der europäischen Marktüberwachungsbehörden. Ein wesentlicher Bestandteil ist die zügige und bürokratiearme Abschaffung der Zollfreigrenze. Diese Regelung wurde von asiatischen Plattformen ausgenutzt, da sie häufig Luftfracht für den Versand verwenden und bei Warenwerten unter 150 Euro von Zollgebühren befreit sind. Experten werfen den Anbietern vor, Sendungen bewusst falsch zu deklarieren, um die Zollgrenze nicht zu überschreiten. Gleichzeitig wird angesprochen, dass die Zollbehörden mit der Kontrolle überlastet sind.
Um Verstöße gegen die geltenden Vorschriften besser zu identifizieren, fordert Habeck von der EU-Kommission, die Daten über Anbieter wie Shein und Temu in einem „Data Hub“ zu sammeln. Zusätzlich sollen Testkäufe durchgeführt werden, um herauszufinden, ob systematische Rechtsverstöße bestehen. „Sanktionen müssen so hoch angesetzt werden, dass sie eine spürbare Abschreckungswirkung entfalten“, betonte Habeck. Auch die Hersteller sollen verpflichtet werden, umfassende Informationen zu Produktsicherheit, Umwelt- und Gesundheitsschutz in einem digitalen Produktpass zu hinterlegen.
Reaktionen der betroffenen Unternehmen
Die Reaktionen der betroffenen Unternehmen auf den Aktionsplan sind gemischt. Eine Sprecherin von Shein äußerte, dass das Unternehmen sich verpflichtet fühle, die geltenden Gesetze in Deutschland und Europa einzuhalten. „Unser Geschäftsmodell basiert nicht auf Zollvorteilen“, versicherte sie und betonte, dass man daran arbeite, den Zollbehörden alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen, bevor die Pakete am Flughafen ankommen. Auch Temu erklärte, dass man sich das Feedback von Kunden und Aufsichtsbehörden zu Herzen genommen habe und sich uneingeschränkt zur Einhaltung lokaler Gesetze verpflichte.
Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE) betrachtete den Aktionsplan positiv. Es sei „gut und richtig“, die Kritik am unlauteren Wettbewerb ernst zu nehmen. Der HDE fordert bereits seit einer Weile die Abschaffung der Zollfreigrenze. Kontrollemöglichkeiten seien ein wichtiger Schritt, um der Flut an Paketsendungen Herr zu werden, allerdings sei es wichtig, unnötige Bürokratie zu vermeiden, die auch die hiesigen Händler belasten könnte.
Ramona Pop, die Chefin der Verbraucherzentralen, sieht die Notwendigkeit, große Online-Marktplätze stärker in die Verantwortung zu nehmen. „Verbraucher müssen besser vor unsicheren Produkten geschützt werden, die den EU-Vorgaben nicht entsprechen“, forderte sie und appellierte an die EU, entsprechende Maßnahmen umzusetzen.
Eine Trendanalyse zeigt, dass 43 % der deutschen Verbraucher bei Plattformen wie Temu und Shein einkaufen. Die Zahlen belegen, dass diese Anbieter ihren Marktanteil in nur einem Jahr mehr als verdoppelt haben. Laut dem Kölner Handelsforschungsinstitut IFH belegen sie mittlerweile den vierten Platz bei den Bestellungen, hinter Amazon, Ebay und Otto.
Handelsexperte Carsten Kortum glaubt, dass die Abschaffung der Zollfreigrenze notwendig ist, da das Geschäftsmodell dieser Unternehmen auf Kostenvorteilen und vermeidbaren Produkttests basiert. Er warnt allerdings davor, dass Testkäufe nicht genügend Wirkung entfalten und echte Reformen nur dann wirksam seien, wenn auch die Plattformen rechtlich für das Verhalten ihrer Händler verantwortlich gemacht werden. Wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt werden, könnte dies die Rahmenbedingungen des Online-Handels erheblich verändern.