In Tuttlingen hat sich ein ehemaliges „Drecksloch“ in ein modernes und belebtes Quartier verwandelt. Horst Riess, Geschäftsführer der Tuttlinger Wohnbau, führt das Projekt an und kann heute über die ehemaligen Zustände nur noch schmunzeln. Vor nicht allzu langer Zeit war das Gebiet, genannt Wöhrden, alles andere als einladend. Überreste einer alten Stadtmühle und schäbige Lagerschuppen prägten das Bild. „Nicht einmal mit dem Hund wollte man dort Gassi gehen“, erinnert sich Riess. Alles hat sich verändert, und die Anzeichen einer Aufwertung sind deutlich sichtbar.
Die Initiative für eine Neugestaltung wurde eingeleitet, als Tuttlingen nach der Jahrtausendwende dringend einen neuen Kinoprojekt benötigte. Bereits Ende 2001 einigte sich Riess mit dem damaligen Oberbürgermeister Heinz-Jürgen Koloczek, dass es an der Zeit sei, ein modernes Kino zu realisieren. Dies war der Startschuss für das große Vorhaben, das jedoch vor Herausforderungen nicht zurückschreckte. So brachte der Aufbau eines Pumpwerks, das notwendig war, um Wasser vom Seltenbach zur Donau zu pumpen, zusätzliche Hürden mit sich. Riess und sein Team fanden schließlich einen Weg, die Dole umzuverlegen, sodass sie schräg zur Donau fließen würde.
Die Vorbereitung für den Bau
Günter Hermann wurde als Architekt engagiert, und schließlich wurde 2002 die Baugenehmigung erteilt. Die Suche nach einem Kinobetreiber war eine weitere Herausforderung, die jedoch durch den unerwarteten Erfolg des Films „Der Schuh des Manitu“ im Jahr 2001 deutlich leichter fiel. Dieser Mega-Hit brachte 14 Millionen Besucher in die Kinos und ermöglichte es, einen Betreiber aus Weinheim zu gewinnen, der bereits über Erfahrung in der Branche verfügte.
Der Sommer 2003 stellte das Bauprojekt zusätzlich auf die Probe. Die Hitzewelle zwang die Bauarbeiter dazu, in den Abendstunden und sogar nachts zu arbeiten, um die vorgegebenen Termine einzuhalten. Riess lud daraufhin 4000 neugierige Bürger ein, um die Fortschritte zu zeigen und die anfängliche Skepsis gegenüber dem Projekt abzubauen. Viele von ihnen waren begeistert, als sie die Dimensionen des neuen Quartiers sahen.
Die Eröffnung des Scala-Kinos im November 2004 stellte einen wichtigen Meilenstein dar. Das Ereignis wurde mit großem TamTam gefeiert und neben vielen Ehrengästen war auch ein Doppelgänger von Jack Nicholson anwesend, was für einige Verwirrung sorgte. Das Kino selbst besteht aus fünf Sälen, darunter ein großer Veranstaltungssaal, welcher strategisch so konzipiert ist, dass er bei Hochwasser nicht überschwemmt wird.
Ein unerwarteter Wendepunkt
Obwohl die Wohnbau als Bauherr fungierte, mussten die Betreiber die Innenausstattung finanzieren. Nur drei Monate nach der Eröffnung des Kinos kam es überraschend zur Insolvenz des ursprünglichen Betreibers. Um das Kino am Leben zu erhalten, entschloss sich Riess kurzerhand, die Verantwortung selbst zu übernehmen. Dies führte zur Zusammenarbeit mit Wim Oude Kotte, der bis heute das Tuttlinger Scala-Kino betreibt und als erfolgreiches Beispiel für die gelungene Revitalisierung des Quartiers gilt.
Zusätzlich zum Kino wurde das Quartier durch Gastronomie-Angebote bereichert. Ein beliebtes Irish Pub fand seinen Standort dort, und auch ein Sterne-Restaurant, die Volkshochschule sowie eine Zahnarztpraxis haben sich angesiedelt. Aktuell ziehen es rund 400.000 Besucher jährlich in das revitalisierte Quartier, was für die Stadt Tuttlingen eine bedeutende Aufwertung darstellt.
Für die kommenden Jahre sind bereits weitere große Projekte in Planung. Die Wohnbau hat gezeigt, dass sie in der Lage ist, komplexe Projekte erfolgreich umzusetzen und so das Stadtbild nachhaltig zu verändern.
Am Samstag, den 7. September, wurde das 20-jährige Bestehen des Wöhrden West mit einer großen Feierlichkeiten begangen. Unterhaltsame Attraktionen, kulinarische Köstlichkeiten zu Preisen von vor 20 Jahren und Souvenirs für die Gäste machten den Tag unvergesslich. Horst Riess konnte voller Stolz feststellen: „20 Jahre, das ist schon eine Hausnummer!“