Im Bistum Hildesheim sind seit diesem Monat drei neue Seelsorger im Bereich der queersensiblen Pastoral tätig. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, eine Kulturveränderung für queere Menschen innerhalb der Kirche zu etablieren. Michael Hasenauer und Manuel Rios Juarez, die für diese neue Aufgabe verantwortlich sind, berichten über die Herausforderungen, die das Konzept der queersensiblen Seelsorge mit sich bringt, und erläutern, warum sie eigentlich am liebsten überflüssig wären.
Mit einem Augenzwinkern formuliert Hasenauer die anfänglichen Unsicherheiten, die mit ihrer Arbeit verbunden sind. „Wenn wir genau wüssten, was unsere Arbeit umfasst, wäre das prima“ – ein Hinweis darauf, dass sie sich in einer Phase der Etablierung befinden, in der sowohl organisatorische als auch inhaltliche Strukturen entwickelt werden müssen. Ziel ist es, konkrete Schwerpunkte zu setzen, die über Einzelseelsorge hinausgehen. Auch Gemeindeanfragen, die klären wollen, wie ein sicherer Raum für queere Menschen geschaffen werden kann, werden in den Fokus rücken.
Vernetzung und Zusammenarbeit mit bestehenden Strukturen
Ein zentraler Aspekt ihrer Arbeit besteht in der Zusammenarbeit mit bereits existierenden Strukturen. Rios Juarez betont die Wichtigkeit von Vernetzung, sowohl innerhalb des Bistums als auch mit anderen Diözesen und der evangelischen Landeskirche in Hannover. Er verweist darauf, dass es bereits Erfahrungen und Modelle gibt, von denen sie lernen können. Diese Vernetzung sei entscheidend, um einen fundierten Zugang zur queersensiblen Pastoral zu schaffen.
Besonders hervorzuheben ist der Wandel, den die queersensible Pastoral im Vergleich zur bisherigen Seelsorge für homosexuelle Gläubige durchlebt. Die beiden Seelsorger sind sich bewusst, dass die gesellschaftlichen Veränderungen und das umfassendere Verständnis von queeren Identitäten eine neue Herangehensweise erforderlich machen. Hasenauer führt aus, dass die Handlungstexte des Synodalen Wegs nicht nur hilfreiche Grundlagen bieten, sondern auch die Spannungen zwischen der Weltkirche und der deutschen Kirche widerspiegeln.
Angesichts der zentralen Fragen, ob das Bistum Hildesheim zu spät reagiert hat, geben die Seelsorger eine ehrliche Einschätzung ab. Ja, sie kommen spät, aber die nötigen Veränderungen sind in vollem Gange. Der Ruhestand des bisherigen Ansprechpartners für homoseksuelle Menschen, Pater Hans-Albert Gunk, bot einen Anstoß für diese neue Phase und öffnete die Tür für das frische Trio.
Die Bedeutung einer offenen Kirchenkultur
Trotz zahlreicher Fortschritte bleiben Barrieren in der Kirche bestehen. Rios Juarez merkt an, dass die Begleitung queerer Paare, die beispielsweise ihr Kind taufen lassen möchten, nach wie vor entscheidend ist. Oft begegnen sie Widerständen, da nicht alle Gemeinden eine offene und freundliche Haltung gegenüber queeren Menschen zeigen. Hasenauer ergänzt, dass das Ziel deren Arbeit darauf abzielt, eine Willkommenskultur zu entwickeln, die alle Menschen, auch queere Gläubige, umfasst.
Innerhalb ihrer Projekte hoffen sie darauf, dass die Transparenz und der Austausch mit der Bistumsleitung helfen, positive Veränderungen zu bewirken. Sie sehen sich als Multiplikatoren, deren Erfahrungen in die weitergehenden Überlegungen der Bistumsleitung einfließen sollen. „Wir streben nach einem ganz normalen Umgang mit Queer-Sein“, sagt Hasenauer und betont die Bedeutung der Wertschätzung von queeren Menschen in der Kirche.
Die Herausforderung für die beiden, die in unterschiedlichen Bereichen tätig sind, ist klar: Sie möchten queeren Menschen zeigen, dass die Kirche ein glaubwürdiger Partner sein kann. Rios Juarez, der in der Schulpastoral arbeitet, stellt fest, dass viele junge Menschen die Kirche in Fragen von Sexualität und Identität oft ausschließen. Diesen Mangel an Erwartungen möchte das Team nutzen, um Beziehungen aufzubauen und das Vertrauen zurückzugewinnen.
„Es ist unser Ziel, eine queersensible Seelsorge zu etablieren, die irgendwann nicht mehr notwendig ist, weil die Diskriminierung in der Kirche überwunden ist“, erklärt Rios Juarez und unterstreicht, dass dies ein langfristiger Prozess ist. Die Seelsorger wünschen sich, dass ihre Erfahrungen letztendlich dazu beitragen, eine inklusive und offene kirchliche Gemeinschaft zu fördern, in der alle, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Identität, auf Verständnis und Offenheit stoßen.
Die Bestrebungen dieser neuen Gruppe im Bistum Hildesheim könnten somit ein entscheidender Schritt in Richtung einer queerfreundlichen Kirche darstellen. Werden sie es jedoch schaffen, die Herzen und Köpfe der kirchlichen Hierarchie zu erreichen und damit eine nachhaltige Kulturveränderung anzustoßen?