In Leipzig wird eine bemerkenswerte Initiative ins Leben gerufen, die die Erinnerung an das jüdische Leben in der Stadt wachhält. An einer Giebelwand hinter dem Discounter an der Otto-Schill-Straße prangt seit über einem Jahr ein gigantisches Schwarz-Weiß-Bild, das den Innenraum der einst größten orthodoxen Synagoge Sachsens zeigt. Diese Installation ist nicht nur ein visueller Anziehungspunkt, sie wird durch eine begleitende Klanginstallationen zum Leben erweckt, die an die lebendige jüdische Kultur der vergangenen Jahrzehnte erinnert.
Das Bild zeigt die Ez-Chaim-Synagoge, die 1920 in Leipzig errichtet wurde, nachdem der Talmud-Thora-Verein die alte Turnhalle übernommen und umgebaut hatte. Mit Unterstützung des Leipziger Architekten Gustav Pflaume wurde sie zum spirituellen Zentrum für viele jüdische Bürger, die vor der Verfolgung in Osteuropa geflohen waren. Obwohl die Synagoge einst Platz für bis zu 900 Personen bot und täglich Gottesdienste stattfanden, erlebte das jüdische Leben in Leipzig einen dramatischen Wandel in den 1930er Jahren. Der Rabbiner Ephraim Carlebach, der hier bis 1936 wirkte, emigrierte mit seiner Familie nach Palästina. Sein Nachfolger, David Ochs, versuchte am 10. November 1938, die Thorarolle aus der brennenden Synagoge zu retten, wurde jedoch von der Gestapo festgenommen und ins KZ Buchenwald deportiert.
Ein Ereignis der Erinnerung
Der Eingang zur Ez-Chaim-Synagoge ist nach der Pogromnacht 1938, die in den Abriss der Synagoge mündete, verschwunden, und die freie Fläche hat in den Jahrzehnten keine physische Erinnerung an das jüdische Leben bewahrt. Lange Zeit erinnerten nur zwei Gedenktafeln an diese bedeutende Einrichtung. Doch anlässlich des 100-jährigen Weihejubiläums wurde ein Licht- und Klangfest veranstaltet, das ein neues Bewusstsein für die Vergangenheit schaffen sollte. In diesem Rahmen wurde die aktuelle Soundinstallation initiiert, die am 10. September 2023, dem 102. Jahrestag der Einweihung, feierlich eröffnet wird.
Die Klanginstallation wird von Aufnahmen des Oberkantors Nahum Wilkomirski und des Oberkantors Salomon Kupfer getragen. Diese Gesänge aus der Zeit vor den Schrecken des Zweiten Weltkriegs fangen die spirituelle Atmosphäre und die kulturelle Bedeutung der Gemeinschaft ein. Unter dem Projekt „Notenspur“, das von Oberbürgermeister Burkhard Jung unterstützt wird und durch die Ostdeutsche Sparkassenstiftung gefördert wurde, zieht dieses ehrgeizige Vorhaben nicht nur historische, sondern auch emotionale Verbindungen vor.
„Es ist wichtig, zuzuhören und sich an das lebendige jüdische Leben zu erinnern“, teilt der Verein Notenspur mit. Diese Initiative betont die Notwendigkeit, Antisemitismus in jeglicher Form entgegenzutreten und gleichzeitig die Wiederbelebung jüdischen Lebens in Leipzig zu feiern. Der Verein sieht die Installation als einen Schritt, um das Bewusstsein für die vielfältige jüdische Kultur in der Region zu stärken.
Die Vision für die Zukunft
Die Ez-Chaim-Synagoge ist ein zentraler Teil des „Leipziger Notenbogens“, ein Projekt, das sich mit der Geschichte und Tradition jüdischer Musikerinnen und Musiker in Sachsen befasst. Die Eröffnung eines neuen Abschnitts dieses Notenbogens ist für das Sächsische Themenjahr „Tacheles – Jahr der jüdischen Kultur in Sachsen 2026“ geplant. Es sollen nicht nur weitere Erinnerungsorte geschaffen, sondern auch neue Formate wie ein „Notenbogen-Soundwalk“ entwickelt werden, um ein nachhaltiges Bewusstsein für die jüdische Kultur in Sachsen zu fördern.
Die Eröffnung der Soundinstallation erfolgt am 10. September um 17 Uhr auf dem Parkplatz von Apels Garten, wo man kommt, um nicht nur den Klängen zuzuhören, sondern auch um durch die Bilder und Töne in die Geschichte einzutauchen. Diese Initiative ist ein eindrucksvoller Schritt, um die Erinnerungen an eine reiche kulturelle Erbschaft frisch zu halten.