Paderborn

„Einblicke in die verlorenen Stimmen: Hilfe der Kirche während des Holocaust“

Beim Gründungsfest der Katholischen Akademie Schwerte am 08.09.2024 präsentierten Kirchenhistoriker Prof. Dr. Dr. hc. Hubert Wolf und Dr. Barbara Schüler ihre Forschungen zu den rund 15.000 Bittbriefen jüdischer Menschen an Papst Pius XII. während der NS-Zeit, die im Vatikan-Archiv verborgen waren, und thematisierten die Not der Verfolgten sowie die Bedeutung dieser Dokumente gegen das Vergessen und für die Bildung über Antisemitismus.

08.09.2024 – 14:10

Erzbistum Paderborn

Im Paderborner Erzbistum wurde kürzlich ein bedeutendes Ereignis gefeiert, das eine zentrale Rolle in der Aufarbeitung der Geschichte während des Nationalsozialismus spielt. Beim Gründungsfest der Katholischen Akademie Schwerte präsentierten Professor Hubert Wolf und Dr. Barbara Schüler ihre umfassenden Forschungen über die Bittschriften, die während der NS-Zeit von rund 15.000 jüdischen Menschen an Papst Pius XII. gerichtet wurden. Diese Briefe, die bis zum Jahr 2020 im Vatikan-Archiv unter Verschluss lagen, bilden eine schmerzvolle Verbindung zu den Schicksalen ihrer Absender.

„Heiliger Vater, retten Sie uns“, ist der eindringliche Aufruf, der die Thematik des Festvortrages prägte. Diese Worte sind nicht nur Historie, sondern ein Schrei nach Hilfe in Zeiten des unmenschlichen Regimes, das das Leben der jüdischen Bevölkerung stark bedrohte. Professor Wolf betonte, dass es von großer Bedeutung sei, den Stimmen der Verfolgten Gehör zu verschaffen, insbesondere da die letzten Zeitzeugen des Holocaust nicht mehr lange in der Lage sein werden, ihre Erfahrungen zu teilen.

Einblick in die Forschungsarbeit

Um das Anliegen und die Herausforderungen der damaligen Gläubigen darzustellen, ist das Forschungsprojekt „Asking the Pope for Help“ ins Leben gerufen worden. Hierbei werden die ausführlichen Bittschriften systematisch erfasst und digital aufbereitet. Die Briefe an Papst Pius XII. sind nicht nur eindringliche Appelle, sondern auch ein Abbild der Kirchenverwaltung und ihrer Reaktionen auf die Notlage der Verfolgten.

Die Erzählungen dieser Briefe sind vielfältig und verdeutlichen die verzweifelten Versuche der Verfolgten, durch die katholische Kirche Hilfe zu erhalten. Diese Bitten wurden durch diverse Stellen innerhalb der Kirche kanalisiert, darunter Pfarrer und Bischöfe, sowie die diplomatischen Vertretungen des Vatikans. Viele der Absender lebten zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Flucht in Ländern wie den Niederlanden oder Italien und waren gezwungen, sich Hilfe zu suchen, um ihren Alltag zu überleben.

Im Zuge ihres Vortrages teilten Professor Wolf und Dr. Schüler auch einige eindringliche Fallbeispiele, die die verzweifelte Lage der jüdischen Flüchtlinge illustrieren. Sie berichteten von Fällen, in denen die Bittschriften aufgrund von bürokratischen Hindernissen unerhört blieben oder durch Übertragungsfehler zu verhängnisvollen Missverständnissen führten. So wurden beispielsweise viele Absender, trotz ihrer flehentlichen Bitten, später verhaftet und in Konzentrationslager deportiert.

Die Not der Verfolgten

Ein besonders tragisches Beispiel ist das der jüdischen Flüchtlinge Meta und Franz Brinnitzer. In einem Brief aus dem Jahr 1942 richtet sich der Ehepartner verzweifelt an Papst Pius XII. und beschreibt seine aussichtlose Lage. Trotz der Unterstützung, die sie anfangs vom Vatikan erhielten, verliefen ihre Bemühungen, nach Palästina auszureisen, letztlich für sie tödlich. Closed Doors und fatale Missverständnisse führten dazu, dass die Brinnitzers 1944 von der Gestapo verhaftet und schnellstmöglich nach Auschwitz deportiert wurden, wo sie kurze Zeit später umkamen.

Die anwesenden Gäste des Gründungsfestes wurden durch den Vortrag von Professor Wolf und die eindringliche Klezmer-Musik, die ihren Vortrag umrahmte, tief berührt. Die Musiker Bernd Rosenberg und Jürgen Steinfeld sorgten für eine bewegende Atmosphäre, die das ernste Thema der Präsentation unterstrich. Wolf und Schüler erhoffen sich, durch ihre mühevolle Aufarbeitung der Materialien, der nachfolgenden Generation einen wichtigen Beitrag zur Bildungsarbeit gegen Antisemitismus zu leisten. Sie möchten das Wissen über Papst Pius XII. und weitere Persönlichkeiten festhalten, um deren Handlungen und Inaktivitäten in dieser kritischen Zeit zu reflektieren.

Diese Initiative zur Dokumentation und Veröffentlichung der Bittschriften ist ein wichtiger Schritt, um die Geschehnisse der Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Es ist ein eindringlicher Appell an alle, sich den dunklen Kapiteln der Geschichte zu stellen und die Lektionen, die sie uns lehren, zu berücksichtigen.

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