Ein Neuanfang im Iran – Chancen auf Veränderung gedämpft
Teheran (dpa) – Nach der gewonnenen Präsidentschaftswahl im Iran steht der vergleichsweise moderate Kandidat Massud Peseschkian vor entscheidenden Herausforderungen. Viele seiner Unterstützer hoffen auf eine Veränderung in der Politik. Ob dies gelingen kann, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Der ehemalige Präsident Hassan Ruhani betrachtet Peseschkians Wahl als Gelegenheit, die Atomverhandlungen wieder aufzunehmen, so die Zeitung „Shargh“ zitiert den ehemaligen Regierungschef.
Bedarf an wirtschaftlicher Stabilität und gesellschaftlicher Einheit im Iran
Peseschkian konnte sich in einer Stichwahl am vergangenen Freitag mit 53,7 Prozent der Stimmen gegen seinen ultrakonservativen Gegner Said Dschalili durchsetzen. Als Vertreter der Reformbewegung möchten Peseschkians Anhänger Veränderungen im Inneren des Landes vorantreiben, ohne die grundlegenden Machtverhältnisse zu erschüttern – wie zum Beispiel die uneingeschränkte Autorität des religiösen Führers im Staat. Beobachter betrachten diesen Sieg als Rückschlag für die konservative Elite und als Erfolg für das vergleichsweise moderate Reformlager, das in den letzten Jahren politisch isoliert war.
In seiner Ansprache am Samstag betonte Peseschkian die Notwendigkeit, die vielen Herausforderungen und Krisen zu bewältigen, mit denen das Land konfrontiert ist. Neben den internationalen Sanktionen aufgrund des umstrittenen Atomprogramms ist der Iran auch weitgehend vom globalen Finanzsystem abgeschnitten. Das Land benötigt dringend Investitionen in Milliardenhöhe, während Arbeitslosigkeit und Einkommensungleichheit stetig zunehmen. Die Gesellschaft ist seit der jüngsten Protestwelle, die 2022 nach dem Tod einer jungen Frau durch die Sittenpolizei ausgelöst wurde, stark gespalten. Außenpolitisch brodelt der Konflikt mit Israel und dem Westen ebenfalls weiter.
Aussicht auf veränderte Beziehungen und umstrittene politische Dynamiken
Peseschkian hat Verbesserungen in den Beziehungen zum Westen angekündigt und die Kopftuchpolitik im Land während des Wahlkampfs kritisiert. Angesichts der komplexen politischen Umstände und der starken Interessengruppen im Iran bleibt allerdings unklar, inwiefern Peseschkian tatsächlich einen signifikanten Richtungswechsel einleiten kann. Beobachter gehen davon aus, dass er versuchen wird, sowohl die Innen- als auch Außenpolitik zu reformieren und dadurch auch die angeschlagene Wirtschaft anzukurbeln.
Der Einfluss, den Peseschkian ausüben kann, hängt auch stark von Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei ab, der die wichtigste Autorität im Staat darstellt. Zudem spielen einflussreiche Gruppierungen wie die Revolutionsgarden – die Eliteverteidigungskräfte des Irans, die gleichzeitig eine bedeutende wirtschaftliche Macht im Land darstellen – eine entscheidende Rolle. Es bleibt abzuwarten, ob es zu erkennbaren Veränderungen in der politischen Ausrichtung kommt, da die Revolutionsgarden maßgeblich daran beteiligt sind.
Ein Land im Wandel – Hoffnungen und Skepsis
Wie die Zeitung „Shargh“ unter Berufung auf Parlamentsmitglieder berichtete, soll Peseschkian voraussichtlich am 4. oder 5. August vereidigt werden. Anschließend hat der Präsident 15 Tage Zeit, um sein Kabinett vorzustellen, das dann ab dem 22. August von Parlament bestätigt werden soll. Hierbei haben die Hardliner die Mehrheit. Trotz des Aufrufs von Religionsführer Chamenei, die politische Rivalität in Freundschaft umzuwandeln, ist es unwahrscheinlich, dass die Erzkonservativen mit dem moderaten Lager kooperieren werden.
– NAG