Begleiten Sie uns auf eine Probefahrt, bevor die Profis eintreffen
Ein ungewöhnlicher Tag liegt vor uns. Wird der Bergadler es bemerken? Als wir mit unseren Fahrrädern den Passo di Campolongo erreichen, kreist er in luftiger Höhe über unseren 1800 Metern und schaut neugierig herunter.
Was heute anders ist, ist die Abwesenheit von Motorengeräuschen. Keine Motorräder. Keine Oldtimer. Keine anderen motorisierten Menschen, die normalerweise täglich diese Bergrücken zwischen Südtirol und Veneto bevölkern und Kühe & Co. beschallen.
Stattdessen sehen die Tiere heute komische Vögel wie uns. In unsere auffälligen Radbekleidung gezwängt, die im Alltag oft unangenehm auffällt, gehen die bunten Uniformen an diesem Sommertag eine Art Friedenspakt mit dem Gelb, Grün und Weiß der blühenden Almwiesen ein. Ja, heute ist „Bike Day“ in den Dolomiten. Und Alta Badia ist autofrei.
Die Bedeutung des „Dolomites Bike Day“ für die Gemeinschaft
Jährlich bewerben sich rund 30.000 Hobbyradler darum, an diesem Szenario teilzunehmen. Per Losverfahren werden in Alta Badia 8000 Glückliche ausgewählt. Keine Startgebühr. Und der gleiche graue Asphalt, der am 7. Juli 2024 die Profis beim Maratona dles Dolomites-Enel antreibt, ist an diesem Tag den Freizeitsportlern vorbehalten.
Auf der 51 Kilometer langen Strecke um das Lagazuoi-Massiv müssen 1370 Höhenmeter bewältigt werden. Drei Kontrollpunkte an den Pässen sind Pflicht. Passüberquerungen. Als Belohnung lockt die atemberaubende Kulisse der Dolomiten in dieser ruhigen Gegend von Alta Badia. Auch kulturell ist diese Region nahe dem Grödnerjoch zwischen Sellagruppe und dem Nationalpark Fanes eine Rarität. Denn nur noch in wenigen abgelegenen Tälern wird neben hier noch Ladinisch gesprochen. Dieser vom Aussterben bedrohte Dialekt vereint Rätoromanisch und Italienisch.
Ein einzigartiges Erlebnis ohne Zeitdruck
Ein wichtiger Aspekt des „Dolomites Bike Day“ ist, dass er ohne Zeitnahme stattfindet. Zwischen den Pässen Campolongo (1875 Meter), Falzarego (2105 Meter) und Valparola (2193 Meter) darf man sich zwar auspowern. Anders als die Windschattenjäger im Wettkampf nehmen wir uns jedoch Zeit für die Strecke. Zeit für Ausblicke auf die Marmolada (3342 Meter). Zeit, um das Fahrrad für einen kurzen Zwischenstopp an einem Dorfbrunnen abzustellen. Der „Dolomites Bike Day“ wird von zwei weiteren autofreien Tagen in der Region flankiert, die im Juni und September um die Sellagruppe führen.
Wir schließen uns zu dritt den Genusssportlern an und starten in dem beschaulichen Dorf La Villa (1433 Meter), das Teil der 6000-Seelen-Gemeinde Alta Badia ist. Während Michaela (43) aus Kärnten mit dem E-Bike unterwegs ist, nutzen der Bike-Guide Andreas (37) und ich Rennräder. Mit 53 bin ich der Älteste von uns. Aber beim „Bike Day“ zählen weder das Alter noch das Tempo, es geht um das gemeinsame Erlebnis.
Eine gewisse sportliche Fitness ist jedoch von Vorteil, um in den Haarnadelkurven nicht den Mut zu verlieren. Der längste Aufstieg erstreckt sich über 13 Kilometer. Und nach der finalen Abfahrt von sieben Kilometern darf man sich selbst gratulieren – vielleicht auch, um die Hände vom vielen Bremsen zu entspannen.
Ein Ort für Entspannung und Freizeitaktivitäten
Selbst für Sommerurlauber, die die Gangart etwas herunterschalten möchten, bietet Alta Badia vielfältige Möglichkeiten. Wanderwege, Lifte, Leihfahrräder – hier gibt es für jeden etwas.
Jeder trägt sein eigenes Päckchen. Beim „Bike Day“ ist das nicht anders. Ein Enthusiast hat seinen Hund im Fahrradanhänger dabei. Ein anderer Sportler kämpft mit einem Kindersitz. Und dann passieren wir einen Jungen, der nicht nur an der Schwelle zur Pubertät steht, sondern auch fast am Rande eines Nervenzusammenbruchs, als er sein E-Mountainbike an den Serpentinenrand wirft. Trotz aller Freiheit ist der „Bike Day“ also kein Ponyhof.
Um 14:30 Uhr endet das friedliche Spektakel. Die PS-Fraktion bricht wieder durch. Wie ruhig es zuvor war! Der Bergadler hat sicherlich viel beobachtet. Während er schweigt, klingeln wir mit unseren Fahrradklingeln.
Weitere Informationen:
Tourismusbüros Alta Badia, Tel. 0039/0471/839695, www.altabadia.org
Anreise: Zum Beispiel mit dem Zug ab Nürnberg in ca. 5,30 Stunden bis San Lorenzo oder Bruneck. Dann weiter ca. 50 Minuten mit dem Bus bis Alta Badia. Per Auto ca. 460 Kilometer via Brenner.
– NAG