Am frühen Donnerstag in Straßburg trat Ursula von der Leyen, die CDU-Politikerin und amtierende EU-Kommissionspräsidentin, vor das Europaparlament und hielt eine entscheidende Rede. Im Mittelpunkt ihrer Ansprache stand ihre Bewerbung für eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin. Gleichzeitig präsentierte sie ihre politischen Leitlinien für die nächsten fünf Jahre und bekräftigte die Wichtigkeit eines „starken Europas“ in unsicheren Zeiten.
Von der Leyen eröffnete ihre Rede mit einer scharfen Kritik an der jüngsten Moskau-Reise des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán, die sie als „Appeasement-Mission“ bezeichnete. Diese Aussage spielte auf die britische Beschwichtigungspolitik gegenüber Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg an. Solche historischen Verweise sollten die Ernsthaftigkeit der aktuellen geopolitischen Herausforderungen unterstreichen, vor denen Europa steht.
Die Kommissionspräsidentin nutzte die Gelegenheit auch, um ihren Standpunkt zur europäischen Verteidigungspolitik klarzumachen. Angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine argumentierte sie für den Aufbau einer „echten Europäischen Union der Verteidigung“. Sie betonte jedoch, dass die NATO weiterhin der „Pfeiler der europäischen Verteidigung“ bleibe. Diese Doppelorientierung verdeutlicht das Bestreben, sowohl die Eigenständigkeit der EU zu stärken als auch die bestehende transatlantische Zusammenarbeit zu bewahren.
In ihrer Rede forderte von der Leyen zudem einen Ausbau der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Die Behörde, die in Warschau ansässig ist, soll zukünftig auf 30.000 Beamte erweitert werden – ein signifikanter Anstieg im Vergleich zu den zuletzt geplanten 10.000 Beamten bis 2027. Durch diese Maßnahme soll die Effizienz und Schlagkraft von Frontex erheblich erhöht werden.
Ein weiteres zentrales Thema ihrer Rede war die Migrationspolitik der EU. Von der Leyen schlug vor, die Zusammenarbeit mit Transit- und Herkunftsländern zu vertiefen und ein neues gemeinsames System zur Rückführung von Einwandernden zu etablieren. Diese Initiativen zielen darauf ab, Migration besser zu regulieren und dabei die humanitären Aspekte nicht außer Acht zu lassen. In diesem Zusammenhang erwähnte von der Leyen die kürzlich geschlossenen Abkommen mit den südlichen Mittelmeerländern Tunesien und Ägypten.
Besondere Aufmerksamkeit erhielt auch von der Leyens Vorschlag hinsichtlich der Zulassung synthetischer Kraftstoffe, sogenannter E-Fuels, für Pkw. Sie kündigte eine gezielte Änderung der Verordnung zum Verbrenner-Aus 2035 an, um einen technologieneutralen Ansatz zur Erreichung der Klimaziele zu verfolgen. Diese Initiative spiegelt die Forderungen der Europäischen Volkspartei (EVP) und der FDP wider, welche für die Fortführung der Nutzung von Verbrennungsmotoren plädieren, die mit E-Fuels betankt werden können.
Die Bedeutung dieser Rede und der darauffolgenden Abstimmung im Europaparlament kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Unterstützung von der Leyens politischer Agenda durch die Abgeordneten ist von entscheidender Bedeutung, um ihre Vision eines starken und geeinten Europas zu realisieren. Neben der Unterstützung ihrer eigenen Fraktion, der EVP, sowie der Sozialdemokraten und Liberalen, ist sie ebenfalls auf Stimmen der Grünen und einiger rechtsnationaler Parteien angewiesen.
Diese entscheidende Phase im Europaparlament zeigt, wie tiefgreifend die anstehenden Entscheidungen für die Zukunft Europas sind. Es geht nicht nur um die Verlängerung einer Amtszeit, sondern um die strategische Ausrichtung der Union in den kommenden Jahren angesichts wachsender globaler Herausforderungen und interner Spannungen.
– NAG