Die Herausforderungen, mit denen sich Brieftaubenzüchter konfrontiert sehen, nehmen zu. Insbesondere die steigende Population von Greifvögeln, wie Sperbern und Wanderfalken, stellt die Züchter vor erhebliche Schwierigkeiten. Ein solcher Züchter ist Walter Becker aus Gailbach, der auf eine schmerzhafte Bilanz seiner diesjährigen Zucht zurückblickt.
Verluste durch Greifvögel
In diesem Frühjahr musste Becker tragische Verluste hinnehmen. Von ursprünglich 50 Jungtauben überlebten nur 17, was ihm Sorge und Verzweiflung bereitet. „Jeden Tag bange ich darum, dass ein im Stengertssteinbruch lebender Wanderfalke auf meine Tauben losgeht“, berichtet Becker. Taubenzüchter aus der Region bestätigen ähnliche Schicksale, was auf ein größeres Problem hinweist. Udo Kullmann aus Obernau und Thomas Ott aus Sulzbach teilen ebenfalls die besorgniserregenden Erfahrungen bezüglich ihrer Zuchtbestände.
Artenschutz und seine Folgen
Der Verband Deutscher Taubenzüchter sieht in dem Anstieg von Greifvogelpopulationen eine direkte Folge des verstärkten Artenschutzes. Diese Maßnahmen führten dazu, dass der Wanderfalke von fast ausgestorbenen Beständen in Bayern auf etwa 260 Brutpaare gewachsen ist. Der Bund Naturschutz betrachtet dies als positiven Fortschritt, befürchtet jedoch, dass die wachsende Greifvogelpopulation nicht durch einen Rückgang ihres Nahrungsangebots reguliert wird. Die Reduktion von Niederwild habe zur Folge, dass Greifvögel zunehmend auf Tauben als Nahrungsquelle angewiesen sind.
Debatte über den Brieftaubensport
Die Tierschutzorganisation Peta geht noch weiter und kritisiert die Brieftaubenzucht als Tierquälerei. Sie argumentiert, dass viele der Tauben den Rückweg nicht finden und einem qualvollen Tod durch Greifvögel zum Opfer fallen. Peta strebt ein Verbot des Brieftaubensports an und hat bereits eine Petition an die Bundesregierung eingereicht. Im Gegensatz dazu wendet sich Klaus Matschinski von der Brieftauben-Reisevereinigung Aschaffenburg-Alzenau gegen diese Vorwürfe. Er betont, dass Züchter auch Naturfreunde seien und die Greifvögel respektierten.
Die Notwendigkeit eines natürlichen Gleichgewichts
Matschinski hebt hervor, dass eine ausgewogene Bestandsregulierung für alle Arten notwendig ist. Er sieht die Wanderfalken inzwischen als stabil, was bedeutet, dass ihre Population nicht weiter aufgepäppelt werden sollte, während er auch die Belange heimischer Singvögel im Blick behält. „Es muss ein natürliches Gleichgewicht wiederhergestellt werden“, fordert er. Diese Perspektive zeigt, dass der Weg zum Naturschutz ein komplexes Gleichgewicht zwischen verschiedenen Arten und deren Lebensräumen erfordert.
Hintergrundinformationen zu Brieftauben
Brieftauben sind bemerkenswerte Tiere, die sich durch ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten auszeichnen. Der Frankfurter Neurobiologe Günter Fleissner erklärt, dass spezielle Nervenzellen im Schnabel der Tauben dazu dienen, das Erdmagnetfeld wahrzunehmen und somit ihre Flugrichtung zu bestimmen. Sie waren schon in der Antike ein wichtiges Kommunikationsmittel, was ihre Bezeichnung als „Rennpferde des kleinen Mannes“ erklärt, da ihre Geschwindigkeit und Ausdauer auch passionierte Züchter in der Industriearbeiterklasse im 19. Jahrhundert faszinierte.
Die Taubenzucht sieht sich jedoch mittlerweile einem Rückgang gegenüber, nicht nur aufgrund von Greifvogelproblemen, sondern auch aus Nachwuchs mangelnden Gründen. Mehrheitlich sind es ältere Züchter, die diesem traditionellen Hobby nachgehen, während ein neues Publikum fehlt.
– NAG