Einblicke in die Geschichte der ezidischen Gemeinde
Im Rahmen einer eindrucksvollen Filmvorführung wurde am Sonntagabend in Göttingen der Film „Briefe aus Şengal“ gezeigt. Der Anlass war eine Mahnwache in der Göttinger Innenstadt am 3. August, die von Women Defend Rojava, Defend Kurdistan Göttingen und dem AK Asyl organisiert wurde. Der Film thematisiert die Gräueltaten des Islamischen Staates und den unermüdlichen Widerstand des ezidischen Volkes, wobei er nicht nur das erlittene Leid, sondern auch den Mut und die Solidarität dieser Gemeinschaft in den Vordergrund stellt.
Die Erzählung des Films
„Briefe aus Şengal“ erzählt bewegende Geschichten aus der Perspektive der Betroffenen. Auf eindringliche Weise werden die Erlebnisse des August 2014 dargestellt, als viele Menschen aus Şengal fliehen mussten. Ein junger Mann beschreibt seine Entscheidung, sich der bewaffneten Resistance anzuschließen, nachdem er die Schrecken der IS-Banden miterlebt hat. Gleichzeitig wird die Geschichte eines Mädchens erzählt, das bei ihrer Flucht in die Berge nur eine zarte Pflanze mitnimmt, der sie ihre Hoffnungen anvertraut. Diese symbolische Geste steht für ihren unerschütterlichen Wunsch nach Freiheit und einer besseren Zukunft für ihr Volk.
Hintergründe der Filmproduktion
Im Anschluss an die Vorführung gewährte die Regisseurin interessante Einblicke in die Entstehung des Films. Sie war direkt vor Ort in Şengal am 3. und 4. August 2014, erlebte die dramatischen Ereignisse hautnah und nutzte diese Erfahrungen für die filmische Aufarbeitung. Der Film vereint dokumentarische Elemente mit nachgestellten Szenen, wobei für letztere ausschließlich Menschen aus Şengal mitwirkten, die selbst als Opfer des Genozids betroffen sind. Diese authentische Darstellung gibt dem Film eine besondere Tiefe und verbindet die Zuschauer direkt mit den individuellen Geschichten der Überlebenden.
Ein wichtiges Gespräch über die Gegenwart
Das Filmgespräch nach der Aufführung eröffnete die Möglichkeit, sich mit der Regisseurin und anderen Teilnehmenden über die Herausforderungen der ezidischen Gemeinschaft auszutauschen. Besondere Aufmerksamkeit erhielt die anhaltende Bedrohung, unter der die Ezid:innen leben, sowohl im Irak als auch in Deutschland. Die Konversation beleuchtete die Schwierigkeiten, die mit der Anerkennung des Genozids durch die Bundesregierung Anfang 2023 verbunden sind, gefolgt von einer Problematik: Die drohenden Abschiebungen von Ezid:innen in den Irak und die Doppelmoral des deutschen Staates, der oft nicht angemessen auf die Bedürfnisse dieser Gemeinschaft reagiert.
Ein Appell an die Menschlichkeit
Die Regisseurin machte deutlich, dass die Verantwortung, an den Genozid zu erinnern und die Betroffenen zu unterstützen, bei den Menschen selbst liege. Ihre Botschaft war klar: „Wir wollen nicht vergessen werden.“ Sie forderte die Anwesenden auf, aktiv gegen das Vergessen zu kämpfen und solidarisch an der Seite der Opfer zu stehen. Der Film „Briefe aus Şengal“ stellt nicht nur einen Rückblick auf schreckliche Ereignisse dar, sondern auch einen Aufruf zur Menschlichkeit und zur Unterstützung der ezidischen Gemeinschaft, die noch immer unter den Folgen des Völkermords leidet.
Für viele Zuschauer war es nicht nur eine filmische Darbietung, sondern ein tiefgehendes Erlebnis, das zum Nachdenken anregte und die Notwendigkeit unterstrich, sich mit den leidvollen Geschichten der Vergangenheit auseinanderzusetzen, um gemeinsam eine bessere Zukunft für die Betroffenen zu gestalten.