Der Verein „Wir gegen Altersarmut“ in Neustadt setzt sich mit aller Kraft dafür ein, älteren Menschen in finanziellen Notlagen unter die Arme zu greifen. Die Vorsitzende Dietgard Klingberg schildert, wie der Verein, der vor einem Jahr ins Leben gerufen wurde, seit seiner Gründung mit dem ernsten Thema Altersarmut kämpft. Dabei beleuchtet sie die Erfolge sowie die Herausforderungen, mit denen der Verein konfrontiert ist.
In Deutschland leben über ein Viertel der Rentnerinnen und Rentner mit einem monatlichen Nettoeinkommen von unter 1000 Euro. Diese Statistik ist alarmierend und verdeutlicht die Dringlichkeit, bedürftigen Senioren zu helfen. Laut Klingberg reicht dieses Geld oft nur für das Allernötigste, und schon eine unerwartete Ausgabe, wie der Ausfall eines Haushaltsgerätes oder die Behandlung eines kranken Haustieres, kann für viele zu einer existenziellen Krise führen.
Verborgene Nöte erfassen
Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Menschen in ihrer individuellen finanziellen Not zu helfen, ohne deren Hintergründe zu hinterfragen. Klingberg erklärt, dass die einzige Voraussetzung für Hilfesuchende der Nachweis über den Grundsicherungsbescheid und ein Personalausweis sind. Während des Weihnachtsfestes wurden spezielle Aktionen bei der Tafel organisiert, um die Sichtbarkeit des Vereins zu erhöhen und Bedürftige zu erreichen. Dennoch bleibt der Kontakt zu Hilfesuchenden eine große Challenge. Trotz umfangreicher Bemühungen sind viele Senioren, die Unterstützung benötigen, oft zu schüchtern, um Hilfe anzufordern. Oftmals schwingt das Gefühl der Scham mit, da das Thema Altersarmut in unserer Gesellschaft tabuisiert wird.
„Es läuft viel über Mund-zu-Mund-Propaganda“, so Klingberg, die anregt, Hilfsbedürftige aktiv anzusprechen. Mit Infomaterialien in Arztpraxen und Apotheken sowie Vorstellung bei sozialen Einrichtungen hat der Verein zwar ein Netzwerk gebildet, doch die strengen Datenschutzbestimmungen lassen eine engere Zusammenarbeit mit Behörden nur bedingt zu, was die Hilfsleistungen erschwert.
Erfolgreiche Kooperationen
Um die Notlage der Hilfesuchenden schnell zu lindern, hat der Verein verschiedene Kooperationen etabliert. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit mit Einzelhändlern wie Media Markt, die für ältere Menschen eine Auswahl an benötigter „weißer Ware“ bereitstellen. Wenn jemand beispielsweise dringend eine Matratze benötigt, kann diese noch am selben Tag bestellt und direkt geliefert werden. Klingberg betont: „Wir besuchen die Menschen dann auch in ihren neuen Wohnungen, um sicherzustellen, dass sie alles haben, was sie brauchen.“
Die Basis für diese Nothilfe bildet nicht nur die Unterstützung durch lokale Geschäfte, sondern auch die große Spendenbereitschaft in Neustadt. Dietgard Klingberg freut sich über die Hilfsbereitschaft der Bürger, die dem Verein immer wieder neue Ressourcen zur Verfügung stellen. Da der Verein jedoch noch keine geeigneten Lagerräume für Sachspenden hat, werden ausschließlich Neuware angeboten, um die Qualität und Funktionstüchtigkeit zu garantieren.
Um den Service künftig zu erweitern, haben sich die Mitglieder in einem Treffen darauf geeinigt, weiter über neue Ansätze nachzudenken. Klingberg erläutert, dass neben der Unterstützung in finanziellen Krisen auch gesellschaftliche Teilhabe, wie etwa Bahntickets für Cafébesuche oder E-Book-Reader für Senioren, auf der Agenda steht. „Wir prüfen derzeit, ob und wie wir diesen Bedarf abdecken können“, fügt sie hinzu.
Engagement und Zukunftsaussichten
Die Motivation der ehrenamtlichen Helfer ist ungebrochen, und der Verein startet voller Elan ins zweite Jahr. „Wir sind ein tolles Team, und die Arbeit läuft gut“, freut sich Klingberg und hofft auf weiteres Wachstum des Vereins. Es besteht stets Bedarf an neuen Ehrenamtlichen, die in Beratungen, Hausbesuchen oder Begleitungen beim Einkaufen unterstützen können.
Kontakt
Für weitere Informationen zur Arbeit des Vereins besuchen Sie bitte die Website unter www.wir-gegen-altersarmut.de oder kontaktieren Sie uns per E-Mail an info@wir-gegen-altersarmut.de oder telefonisch unter 06321 3850012.
Hintergrund zur Altersarmut in Deutschland
Altersarmut ist ein zunehmendes Problem in Deutschland, das in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Laut dem Statistischen Bundesamt leben derzeit rund 2,2 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland unter der Armutsgrenze. Dies bedeutet, dass sie weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben, was für alleinlebende Rentnerinnen und Rentner monatlich etwa 1.065 Euro entspricht.
Die Ursachen für Altersarmut sind vielfältig. Eine der Hauptursachen ist das häufig unzureichende Einkommen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, das nicht ausreicht, um den Lebensstandard im Alter aufrechtzuerhalten. Zudem sind viele ältere Menschen von prekären Beschäftigungsverhältnissen betroffen, die in ihrer Erwerbsbiografie zu niedrigen Rentenansprüchen führen.
Politische und gesellschaftliche Initiativen
Um dem Problem entgegenzuwirken, sind verschiedene politische und gesellschaftliche Initiativen notwendig. Dazu gehört unter anderem die Anpassung der Rentenformel sowie Förderprogramme für geringverdienende Rentner. Auch ehrenamtliche Projekte, wie das von „Wir gegen Altersarmut“, spielen eine entscheidende Rolle, um direkt Menschen zu unterstützen, die im Alter in Not geraten sind.
Zahlen und Daten zu Altersarmut
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt, dass die Altersarmut vor allem Frauen betrifft, die oft im Zuge von Teilzeitarbeit oder Erziehungszeiten geringere Rentenansprüche haben. 2019 war jede fünfte Frau über 65 Jahre von Altersarmut betroffen, im Vergleich dazu ist es bei Männern nur jeder zehnte.
Diese Entwicklung hat ebenso weitreichende Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhalt, da betroffene Personen oft mit Einsamkeit und vermindertem Zugang zu gesellschaftlichen Aktivitäten konfrontiert sind. Laut einer Befragung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) empfinden 40 Prozent der Rentnerinnen und Rentner mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze ihre Lebenszufriedenheit als niedrig.