Flensburg

Flensburgs Kliniken: Kooperation statt Isolation für bessere Chirurgie

Professor Stephan Timm, der neue Präsident des Konvents der Leitenden Krankenhauschirurgen, betont in Flensburg die Notwendigkeit regionaler Versorgungsverbünde für die Chirurgie, um Mindestmengenregelungen zu erfüllen und eine adäquate Patientenversorgung in der Grenzregion zu gewährleisten.

In der aktuellen Diskussion über die Krankenhausreform betonen führende Chirurgen die Notwendigkeit regionaler Versorgungsverbünde, um eine adäquate medizinische Betreuung sicherzustellen. Professor Stephan Timm, der seit Juli Präsident des nationalen Konvents der Leitenden Krankenhauschirurgen (KLK) ist, äußerte sich zu den neuen Herausforderungen, die sich durch Änderungen bei den Mindestmengenregelungen ergeben. Diese Regelungen verlangen eine bestimmte Anzahl an Eingriffen pro Jahr für verschiedene chirurgische Verfahren, um die Qualität und die Sicherheit der Versorgung zu gewährleisten.

Die Reform könnte dazu führen, dass einige Leistungen in ländlichen Regionen nicht mehr angeboten werden, wenn die Kliniken nicht zusammenarbeiten. Timm, der auch Ärztlicher Direktor und Chefarzt im Malteser St. Franziskus Hospital in Flensburg ist, sieht bereits erste Schritte in seiner eigenen Region. Er hat eine Kooperation mit dem benachbarten Diako Krankenhaus ins Leben gerufen, um die Versorgungsqualität in Flensburg zu verbessern. Diese Zusammenarbeit, die durch unterschiedliche kirchliche Trägerschaften kompliziert ist, könnte als Modell für ähnliche Initiativen in anderen Bereichen dienen.

Die Notwendigkeit regionaler Kooperationen

Timm hat betont, dass die Etablierung solcher regionalen Netzwerke unerlässlich ist, um die Patientenversorgung aufrechtzuerhalten. Am Beispiel der Mindestmengenregelung für Operationen bei Lungenerkrankungen erläutert er, wie kritisch die Situation tatsächlich ist: Ab dem kommenden Jahr müssen in jedem Krankenhaus, das diesen Eingriff anbieten will, mindestens 75 anatomische Resektionen pro Jahr durchgeführt werden. In seinem eigenen Krankenhaus in Flensburg liege die Zahl jedoch nur bei 60, und andere Standorte in der Region seien weit darunter.

„Wir müssen kooperieren, wenn wir die Behandlung in unserer Region halten wollen“, erklärt Timm überzeugt. Andernfalls drohe nicht nur eine Verschlechterung der Versorgung, sondern auch längere Anfahrtswege für die Patienten aus nördlichem Schleswig-Holstein. Zudem könnten die wenigen verbliebenen Kliniken überlastet werden, wenn der Druck auf sie wächst, die Behandlungen für die gesamte Region zu stemmen.

Öffentliche Wahrnehmung und politische Forderungen

Ein weiterer Aspekt, den der KLK-Präsident anspricht, ist die mangelnde öffentliche Wahrnehmung seiner Organisation, die über 800 leitende Krankenhauschirurgen vereint. Timm führt dies auch auf die starken chirurgischen Verbände BDC und DGCH zurück, die bislang in der medialen Berichterstattung stärker im Fokus standen. Für die Zukunft plant er, dass der KLK aktiver in der Öffentlichkeit auftritt, um die Anliegen der Chirurgen sichtbarer zu machen.

Er setzt sich zudem für eine engere Koordination zwischen den einschlägigen chirurgischen Verbänden ein. Angesichts der bevorstehenden gesundheitspolitischen Herausforderungen, die durch die anstehenden Reformen und Regelungen hervorgerufen werden, könnte eine stärkere gemeinsame Stimme der Chirurgen von entscheidender Bedeutung sein. „Wenn wir zusammenarbeiten, können wir mehr Gewicht in politischen Diskussionen gewinnen“, meint Timm.

Das Thema der regionalen Versorgungsverbünde ist nicht nur eine Frage der Effizienz und der Qualität, sondern auch eine überlebenswichtige Maßnahme, um die medizinische Grundversorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen zu sichern. Die Herausforderungen, vor denen die Kliniken stehen, erfordern ein Umdenken und neue Strategien, um den Erwartungen der Patienten gerecht zu werden und gleichzeitig die fachlichen Standards aufrechtzuerhalten.

Der Weg in eine kooperative Zukunft

In der Zukunft wird sich zeigen, wie gut die Kliniken in der Lage sind, sich auf die neuen Regelungen einzustellen und den notwendigen Wandel herbeizuführen. Timm und seine Kollegen stehen an einer entscheidenden Schnittstelle, an der es darum geht, die Chancen der Kooperation zu nutzen und gleichzeitig die Versorgungssicherheit für die Patienten in ihrer Region zu gewährleisten. Die Diskussionen über die Strukturierung von Krankenhausverbünden sind somit nicht nur zeitgemäß, sondern auch unvermeidlich, um den Herausforderungen des Gesundheitssektors effektiv begegnen zu können.

Die Herausforderungen in der Krankenhausversorgung sind nicht nur auf regionaler Ebene zu beobachten, sondern spiegeln sich auch in einem breiteren nationalen und internationalen Kontext wider. In vielen Ländern wird die Notwendigkeit erkannt, die Effizienz und Qualität der Gesundheitsversorgung zu verbessern, insbesondere in ländlichen Gebieten oder bei Spezialbehandlungen, die nur von wenigen Einrichtungen angeboten werden können. Der Drang nach Spezialisierung und Mindestmengenregelungen ist ein globales Phänomen, das verschiedene Gesundheitssysteme betrifft.

In Deutschland beispielsweise zeigt der demografische Wandel, dass eine alternde Bevölkerung eine steigende Nachfrage nach bestimmten medizinischen Leistungen mit sich bringt. Gleichzeitig stehen Kliniken unter dem Druck, ihre Betriebsabläufe aufgrund begrenzter Ressourcen zu optimieren. Die Herausforderungen, die Professor Timm anmerkt, lassen sich in diesem weiten Kontext verstehen. Die Entwicklung hin zu Versorgungsverbünden kann als Reaktion auf diese Trends gesehen werden.

Beispiele internationaler Reformansätze

Nicht nur Deutschland beschäftigt sich mit diesen Fragen. In Großbritannien hat das National Health Service (NHS) beispielsweise Programme initiiert, um Krankenhausnetzwerke zu bilden, die eine umfassendere Versorgung der Patienten gewährleisten. Diese Netzwerkbildung hat das Ziel, die Spezialisierung zu fördern und die Patientensicherheit zu gewährleisten. Ähnliches geschieht auch in Ländern wie Kanada, wo die Integration von Gesundheitsdiensten durch regionale Versorgungsmodelle vorangetrieben wird, um die Qualität und Zugänglichkeit der Gesundheitsversorgung zu verbessern.

Ein Vergleich zeigt, dass trotz unterschiedlicher Gesundheitssysteme die Herausforderungen doch sehr ähnlich sind. Wachsende Patientenzahlen, die Notwendigkeit zur Spezialisierung und der Druck auf die Kosteneffizienz erfordern innovative Lösungen, die sowohl auf regionaler als auch auf nationaler Ebene gedacht werden müssen.

Der Weg zu einer besseren Patientenversorgung

Die Zusammensetzung von Versorgungsverbünden könnte einzigartige Chancen bieten. Timm betont die Notwendigkeit einer regionalen Zusammenarbeit, um die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen. Studien zeigen, dass die Bildung solcher Netzwerke die Ergebnisse in der Patientenversorgung signifikant verbessern kann – nicht nur durch eine bessere Verteilung der Patienten, sondern auch durch den Austausch von Best Practices und Fachwissen zwischen den Einrichtungen. Dies könnte in der Zukunft auch bei der Patientenversorgung für lungenonkologische Eingriffe von Bedeutung sein, die aufgrund der gesetzlichen Vorgaben in Deutschland von zentraler Bedeutung sind.

Eine erfolgreiche Zusammenarbeit könnte dazu beitragen, nicht nur die Qualität der Versorgung zu steigern, sondern auch die Akzeptanz der Patienten für neue Versorgungsstrukturen zu erhöhen. In diesem Sinne könnte die Reform auch als eine Chance betrachtet werden, die geografische und soziale Ungleichheit in der medizinischen Versorgung zu beseitigen und allen Patienten einen gleichwertigen Zugang zu spezialisierten Behandlungen zu ermöglichen.

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