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Ganztagsschulen in Bayern: Ein neues Konzept für bessere Konfliktlösung

Der Schulleiter Helmut Klemm aus Erlangen, Bayern, kritisiert am 4. September 2024 in einem Interview die Halbtagsschulen als die „schlimmste Form der Schule“, da sie Erziehung und Schülerzufriedenheit gravierend vernachlässigen und betont die Notwendigkeit von Ganztagsschulen für eine ganzheitliche Bildung und Konfliktlösung.

In deutschen Schulen stellt sich zunehmend die Frage nach den idealen Rahmenbedingungen für eine effektive und menschliche Erziehung. Helmut Klemm, Schulleiter der Eichendorffschule in Erlangen, Bayern, hat in einem Interview mit BuzzFeed News Deutschland klargemacht, dass er eine dramatische Abkehr von traditionellen Halbtagsschulen fordert. Diese Schulen, in denen der Unterricht oft von acht bis zwölf Uhr stattfindet, betrachtet er als eine der „schlimmsten Formen der Schule“. Seine Argumentation stützt sich auf persönliche Erfahrungen und aktuelle Umfragen, die einen klaren Handlungsbedarf aufzeigen.

Mit einem Team bestehend aus zwei Jugendsozialarbeitern und einer Sozialpädagogin fungiert Klemm als unermüdlicher Verfechter der Ganztagsbildung. Dabei verleiht eine repräsentative Umfrage der Robert Bosch Stiftung seinem Standpunkt Gewicht: Laut dieser erleben fast 47 Prozent der Lehrkräfte an ihren Schulen Gewalt, sei es Mobbing oder körperliche Auseinandersetzungen. Klemm sieht eine der Lösungen in den erweiterten Möglichkeiten, die Ganztagsschulen bieten, um Konflikte zu bearbeiten und eine unterstützende Lernumgebung zu schaffen.

Die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Perspektive

„Wie kann man Kinder in nur vier Stunden erziehen?“, fragt Klemm provokant und bringt damit einen zentralen Punkt zur Sprache. An Halbtagsschulen verkommt die Erziehung seiner Meinung nach oft zu einer reaktiven Maßnahme: „Wenn ein Kind gegen Regeln verstößt, bekommt es einen auf den Deckel. Das ist klassische Konditionierung.“ Diese Sichtweise zeigt, dass sich der Schulalltag stark auf Inhaltsvermittlung konzentriert, ohne genügend Raum für persönliche Entwicklung, Austausch und die Berücksichtigung der individuellen Sorgen der Schüler zu lassen.

Klemm ist sich sicher, dass eine stärkere individuelle Betreuung und ein Fokus auf Miteinander den Schulalltag deutlich verbessern können. An Halbtagsschulen führt die ständige Hektik und der Druck dazu, dass Schüler weniger als Menschen, sondern als Objekte wahrgenommen werden. Ein Mangel an Zeit für soziale Interaktionen und Freude am Lernen verstärkt dieses Gefühl, was Klemm als unhaltbar erachtet.

An Klemms Schule, einer „voll gebundenen Ganztagsschule“, ist der Unterricht von Montag bis Freitag strukturiert und soll den Schülern in jeder Hinsicht die Möglichkeit bieten, sich zu entfalten. In Bayern jedoch ist der Standard bei den öffentlichen Realschulen stark unterschiedlich. Nur 1,3 Prozent werden als solche „voll gebundenen Ganztagsschulen“ geführt. Die aktuelle Sozialisierung zur Ganztagsschule bleibt eine Herausforderung, da viele Schulen den Ganztagsansatz lediglich als Betreuungsmaßnahme wahrnehmen.

Bildungsgerechtigkeit im Fokus

Klemm betont die Bedeutung der Bildungsgerechtigkeit, die durch offene Ganztagsschulen nicht gewährleistet werden kann. Diese Formate bieten oft lediglich Hausaufgabenbetreuung durch Nicht-Lehrkräfte und erreichen nicht die angestrebte Chancengleichheit. „Wir benötigen Ganztagsbildung, nicht nur Ganztagsbetreuung“, sagt er. Die Schüler sollten nicht nur unterrichtet, sondern auch in ihrer persönlichen Entwicklung gefördert werden.

Sein Engagement zeigt sich nicht nur in der strukturellen Gestaltung, sondern auch in der Zusammenarbeit mit externen Partnern. Kooperationen mit Vereinen oder lokalen Handwerkern können den Lehrplan erheblich bereichern und den Schülern die Möglichkeit geben, neue Fähigkeiten zu erlernen. Einen Veränderungsprozess in der Schulbildung hin zu mehr Integrität und ganzheitlichem Lernen zu fördern, sieht Klemm als notwendige Maßnahme im Kampf gegen den akuten Lehrkräftemangel.

Die Perspektive von Klemm ist klar: Schule sollte kein starrer Ort des Lernens sein, sondern ein lebendiger Raum, in dem Kinder miteinander wachsen. Diese Vision einer andersdenkenden Bildung ist nicht nur relevant, sondern auch dringend nötig. In einem Bildungssystem, das stark unter Druck steht, könnte der richtige Ansatz für die Zukunft entscheidend sein.

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