BerlinMülheim an der Ruhr

Ein Abend der Männlichkeit: Bilder, Zweifel und Gespräche über Sexualität

Die Uraufführung von "Bock", basierend auf dem Buch von Katja Lewina und in der Inszenierung des Theaterkollektivs Glossy Pain, zeigt am 25. August und 8. September in Berlin, wie differenzierte Bilder männlicher Sexualität im Kontext von Zweifeln, Übergriffigkeiten und Zärtlichkeiten thematisiert werden und lädt das Publikum zu einem offenen Austausch mit Sexualtherapeut*innen ein.

Der Theaterabend „Bock“, basierend auf dem Buch der Autorin Katja Lewina, befasst sich mit den komplexen Themen männlicher Sexualität und Männlichkeit. In einer aufregenden Darbietung erforscht das mehrsprachige Theaterkollektiv Glossy Pain aus Berlin die verschiedenen Facetten dessen, was es bedeutet, Mann zu sein, und nimmt die Zuschauer mit auf eine Reise durch die Dämmerung des Patriarchats.

Der Abend bietet eine tiefgehende Reflexion über die Herausforderungen, Ängste und Sehnsüchte von Männern. Zwischen Applaus und nachdenklichen Momenten wird die Frage aufgeworfen, wie geprägt Männer von Bildern und Normen werden, die ihnen von klein auf eingegeben werden. Die Frage nach der Daseinsberechtigung der eigenen Männlichkeit wird dabei auf eindrucksvolle Weise thematisiert.

Vielfältige Perspektiven männlicher Körperbilder

Die Inszenierung fördert einen Dialog über Sexualität und Männlichkeit, der von einer Vielzahl an persönlichen Erlebnissen und Überlegungen geprägt ist. Eine zentrale Fragestellung, die in der Aufführung immer wieder aufgegriffen wird, ist: Wo fängt Sexualität an? Auch die Themen Ängste vor Sexualität und das Empfinden von Körperlichkeit stehen im Raum. Die Inszenierung greift Zitate und Gedanken namhafter Denker:innen auf, darunter Paul B. Preciado und bell hooks, und lässt so eine Vielzahl von Perspektiven aufeinandertreffen.

In einem Mix aus bunten Miniaturen und fragmentarischen Erzählungen wird eine Vielzahl von Gedanken und Empfindungen zu einem lebhaften Gesamtbild der männlichen Identität verwoben. Die Zuschauer werden angeregt, sich nicht nur mit den erlebten Geschichten der Protagonisten auseinanderzusetzen, sondern auch ihre eigenen Ansichten zu hinterfragen. Jedes Bild, jede Erzählung wirkt wie ein Spiegel, der das eigene Ich betrachtet und die Widersprüche offenbart, die mit dem Bild des Mannes verbunden sind.

Nachgespräche mit Experten

Nach den Vorstellungen am 25. August und 8. September wird es die Möglichkeit geben, mit den Sexualtherapeut:innen Stefanie Bohle und Carsten Müller zu diskutieren. Diese Gespräche bieten wertvolle Perspektiven zu den in der Aufführung behandelten Themen und können den Zuschauern helfen, den Inhalt der Darbietung weiter zu vertiefen und eigene Fragen zu klären.

Zusätzlich sind am 12. September Christine Gathmann und Andreas Müller von ProFamilia Oberhausen zu Gast, um ihre Expertise in den Dialog einzubringen. Ein Austausch mit dem „Bock“-Team wird an den Aufführungstagen 1. und 5. September organisiert, um das Erlebte zu reflektieren und individuelle Erlebnisse zu erkunden.

Die Frage, was es bedeutet, die körperliche Erscheinung wahrzunehmen und wie sehr das eigene Körperbild das Lebensgefühl beeinflusst, zieht sich als roter Faden durch die gesamte Aufführung. Von den Ängsten über den eigenen Körper bis hin zu den gesellschaftlichen Erwartungen, zeigt die Inszenierung, wie das Mannsein in der aktuellen Gesellschaft auf eine Vielzahl von Weisen beleuchtet werden kann.

Die humorvollen, aber auch tiefgründigen Dialoge bieten den Zuschauern Raum, um über ihre eigenen Erfahrungen nachzudenken und geben einen Einblick in die facettenreiche Welt männlicher Sexualität und Identität.

Ein Perspektivwechsel im Diskurs über Männlichkeit

Der Abend „Bock“ ist mehr als nur eine Theateraufführung; er ist eine Einladung zur Auseinandersetzung mit den eigenen Ansichten über Männer und Sexualität. Dadurch entsteht ein Raum, in dem Widersprüche und Fragen Platz finden – ein Ansatz, der in unserer heutigen Zeit von enormer Relevanz ist. Die Kunstform des Theaters eröffnet die Möglichkeit, über das Sichtbare hinauszublicken und gesellschaftliche Normen zu hinterfragen, auf eine Weise, die viele zum Schmunzeln bringt, aber auch zum Nachdenken anregt. Diese vielschichtige Auseinandersetzung mit Männlichkeit ist nicht nur ein Spiegelbild der persönlichen Identität, sondern auch eine grundlegende Betrachtung der kulturellen Kontexte, die unsere Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität formen.

Die kulturelle Bedeutung von Männlichkeit

Männlichkeit wird in verschiedenen Kulturen unterschiedlich interpretiert und dargestellt. Historisch gesehen war das Ideal des Mannes oft mit Macht, Durchsetzungsvermögen und Unabhängigkeit verbunden. In vielen Kulturen wird dieser Archetyp durch Geschichten, Mythen und Kunst hervorgehoben. In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch ein Wandel vollzogen, hin zu einer differenzierteren Betrachtung von Männlichkeit, die Aspekte wie Empathie, Anfälligkeit und emotionale Intelligenz mit einbezieht.

Die Frage, wie Männlichkeit heute wahrgenommen wird, ist nicht nur eine gesellschaftliche, sondern auch eine wirtschaftliche. Arbeitsmarktanalysen zeigen, dass Männer in Führungspositionen zunehmend unter Druck stehen, ihre emotionale Seite zu zeigen, um in einem sich schnell verändernden beruflichen Umfeld erfolgreich zu sein. Dies hat zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit den Herausforderungen und Unsicherheiten geführt, die das moderne Mannsein mit sich bringt.

Einflüsse der Medien auf Männlichkeitsbilder

Die Medien haben einen erheblichen Einfluss darauf, wie Männlichkeit wahrgenommen wird. Filme, Serien und soziale Medien spielen eine zentrale Rolle bei der Formung von Idealen und Normen rund um das Mannsein. Abbildungen von übertriebenen Männlichkeitsidealen fördern oft toxische Männlichkeit, die wiederum Rollenstereotype zementiert. Dies kann dazu führen, dass Männer unter einem enormen Leistungsdruck stehen, was sich in psychischen Erkrankungen äußern kann.

Aktuelle Studien belegen, dass die ständige Konfrontation mit idealisierten Körperbildern in sozialen Medien zu einem erhöhten Gefühl der Unzulänglichkeit bei Männern führen kann. Der Druck, diesen Standards gerecht zu werden, kann ernste Folgen für das Selbstwertgefühl und die mentale Gesundheit haben. Laut einer Erhebung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie zeigen immer mehr Männer Symptome von Angstzuständen und Depressionen in Verbindung mit unrealistischen Erwartungen an ihre Männlichkeit.

Die Rolle von Sexualtherapeuten in der Rekonstruktion von Männlichkeitsbildern

Sexualtherapeuten spielen eine entscheidende Rolle dabei, Männern zu helfen, ihre Vorstellungen von Sexualität und Männlichkeit zu hinterfragen. In den Gesprächen rund um das Thema von Macht und Verletzlichkeit unterstützen sie Männer dabei, ihre Ängste und Unsicherheiten zu thematisieren. Fachleute wie Stefanie Bohle und Carsten Müller von der Praxis für Sexualität in Duisburg arbeiten eng mit Männern zusammen, um ein offenes und akzeptiertes Umfeld zu schaffen, in dem sie ihre Sorgen äußern können.

Therapeutische Ansätze zielen darauf ab, stereotypische Vorstellungen von Männlichkeit durch einen dialogischen Prozess abzubauen. Dieser Ansatz fördert nicht nur das persönliche Wachstum, sondern auch das Verständnis darüber, wie gesellschaftliche Normen das individuelle Verhalten beeinflussen. Indem Männer lernen, ihre Emotionen zu benennen und auszudrücken, können sie gesündere zwischenmenschliche Beziehungen entwickeln und ein erfülltes Sexualleben führen.

Diese Perspektiven werfen ein Licht auf die Vielfalt der Erfahrungen, die Männer in ihrer Welt der Männlichkeit machen, und belegen die Bedeutung von offenen Dialogen, um die Wahrnehmung des Mannseins neu zu definieren.

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