Wannsee, Berlin. Ein konfessionsloser Friedhof in der Nähe des einstigen Wohnsitzes von Joseph Goebbels hat die Zeit des Nationalsozialismus überstanden und ziert einen einzigartigen, interreligiösen Gedenkstein.
Ein unerwartetes Symbol der Toleranz
Das unscheinbare, aber äußerst bedeutungsvolle Symbol ist auf der Friedhofsmauer des in den späten 19. Jahrhundert angelegten Friedhofs zu finden. Es handelt sich um ein Kreuz, in dessen Mittelpunkt sich ein Davidstern befindet, ein Zeichen des jüdischen Glaubens. Die Kombination dieser beiden Symbole spiegelt das friedliche Zusammenleben von Christen und Juden wider, das über die Geschichte hinweg immer wieder herausgefordert wurde.
Der historische Hintergrund des Friedhofs
Um das Jahr 1890 entstand im Grunewald die exklusive Villenkolonie Alsen, gegründet von Bankiers und Industriediensten, darunter der wohlhabende Wilhelm Conrad. Diese Gegend zog viele der damaligen Elite Berlins an, die eine gefühlte Distanz zur unruhigen Stadt suchten. Der errichtete Friedhof sollte den verstorbenen Villenbewohnern und ihren Angehörigen als letzte Ruhestätte dienen. Die Gräber vieler prominenter Personen wie dem Chirurgen Ferdinand Sauerbruch und dem Wissenschaftler Hermann von Helmholtz finden hier Platz.
Widerstand gegen Antisemitismus
Im Jahr 1902 stellte Oscar Huldschinsky, ein jüdischer Villenbewohner und Kunstmäzen, den Antrag, den Friedhof auch für jüdische Bestattungen zu öffnen. Der positive Bescheid des Landrats war bemerkenswert, da der Antisemitismus zu dieser Zeit weit verbreitet war, selbst in bürgerlichen Kreisen. Diese Entscheidung war ein Ausdruck von Toleranz und einem Fortschritt gegenüber den vorherrschenden gesellschaftlichen Normen.
Nationalsozialisten im Fokus, das Denkmal bleibt unentdeckt
Trotz des zunehmenden Einflusses der Nationalsozialisten in Wannsee blieb das einmal so bedeutende Denkmal unangetastet. Der mit der Überwachung des Friedhofs beauftragte Oberbürgermeister Berlins erkannte 1938, dass die Pflege jüdischer Gräber in den Händen der Friedhofsverwaltung liegen sollte, was seinerzeit ein mutiger Standpunkt war. Es ist unklar, wie es während der Herrschaft der Nationalsozialisten unentdeckt bleiben konnte, während diese das Areal zunehmend unter ihre Kontrolle brachten.
Ein Zeichen für die Zukunft
Die friedliche Koexistenz der beiden Symbole auf der Friedhofsmauer ist heute ein starkes Symbol für Toleranz und interreligiösen Dialog. Nur wenige Meter entfernt liegt die „Wannseevilla“, der Schauplatz der berüchtigten Wannseekonferenz, die die Ausrottung der Juden plante. Das kleine Kunstwerk stellt ein unerwartetes, aber kraftvolles Zeichen gegen den wieder erstarkenden Antisemitismus dar. Es erinnert uns daran, dass trotz dunkler Kapitel der Geschichte das Streben nach Verständnis und Zusammenleben ungebrochen bleibt.
– NAG