In vielen deutschen Städten dürfen Frauen inzwischen oberkörperfrei baden, dennoch bleibt diese Freiheit oft ungenutzt. Eine Autorin hat es gewagt und in einem öffentlichen Freibad in Berlin getestet, wie sich das Schwimmen „oben ohne“ anfühlt.
Bei 26 Grad und strahlendem Sonnenschein machte sich die Autorin auf den Weg ins Humboldthain Sommerbad in Berlin-Wedding. Ihr Ziel war es, die Erfahrungen von Frauen zu verstehen, die sich in öffentlichen Schwimmbädern ohne Oberteil zeigen möchten. Obschon zahlreiche offene Bretter gelegentlich auf Blotherapie deuten, lag das Augenmerk bald auf der Frage, warum viele Frauen zögern, das neue Angebot der Bäderbetriebe wahrzunehmen.
Neue Regeln und gesellschaftliche Veränderungen
Die aktuellen Vorschriften für „oben ohne“ im Berliner Schwimmbad sind das Ergebnis einer Beschwerde, die die 33-jährige Initiatorin im Dezember 2022 einreichte, nachdem sie beim Versuch, ohne Störung zu schwimmen, vom Aufsichtspersonal darauf hingewiesen wurde, sich bedecken zu müssen. Die Ombudsstelle für das Antidiskriminierungsgesetz des Landes Berlin entschied schließlich, dass es keine geschlechtsspezifischen Vorschriften für das Schwimmen gibt. Im März 2023 wurden die neuen Regeln bekannt gegeben: „Das Schwimmen ‚oben ohne‘ ist für alle Personen gleichermaßen erlaubt.“
In mehreren Städten, darunter Göttingen, Siegen, und Frankfurt, wurde das Schwimmen ohne Oberteil für Frauen mittlerweile akzeptiert, was einen kulturellen Wandel im Umgang mit Körperlichkeit und Geschlechterdiskussion symbolisiert. Dennoch bleibt abzuwarten, wie viele Frauen dieses Angebot tatsächlich nutzen.
Persönliche Erfahrungen und Hürden
Als die Autorin sich schließlich entschied, das Risiko des „oben ohne“ Sonnenbadens einzugehen, suche sie nach einem geeigneten Platz und spürte dabei die prüfenden Blicke der Männer. Diese Reaktionen, die oft von sexueller Belästigung bis zu einem unbehaglichen Gefühl reichen, sind in der Gesellschaft weit verbreitet. Ihre Erinnerung an frühere unangenehme Erfahrungen, einschließlich einer Situation am FKK-Strand, trugen nicht zu ihrer Beruhigung bei.
Nach einer Weile fand sie einen ruhigen Platz am Ende der Wiese, wo sie sich unter einem Baum niederlassen konnte. Diese kleine, abseits gelegene Oase bot ihr die nötige Sicherheit, um das Experiment zu wagen. Doch auch hier spürte sie die latente Angst, bewertet zu werden.
Die Angst vor Belästigung hat einen großen Einfluss auf die Entscheidung vieler Frauen, ob sie sich „oben ohne“ zeigen oder nicht. Eine Umfrage von Norstat ergab, dass 71 Prozent der Männer und nur 45 Prozent der Frauen für ein geschlechterübergreifendes Schwimmen ohne Oberteil sind. Ein häufig geäußertes Argument gegen diese Praxis ist die Sorge vor einem Anstieg sexueller Belästigungen.
Trotz der neuen Regelungen ist die Nervosität der Frauen im Freibad weiterhin groß. Die Berliner Bäderbetriebe berichten, dass seit der Einführung des „oben ohne“-Angebots das Verhalten der Gäste sich nicht wesentlich geändert hat. Couvertierte Brust schlägt immer noch den offenen Oberkörper. Dies könnte auf tief verwurzelte gesellschaftliche Normen und Ängste hinweisen.
Ein schrittweiser Wandel in der Schwimmpraxis
Die Autorin selbst entschied sich letztendlich, zur Toilette ein Bikini-Oberteil zu tragen. Auch wenn sie beim Schwimmen und Sonnenbaden beobachten konnte, dass einige Frauen ihrem Beispiel folgten, bleibt die Mehrheit von ihnen bei der traditionellen Badebekleidung. Die Berliner Bäderbetriebe haben bisher keine Berichte über direkte sexuelle Belästigungen in Verbindung mit dem „Oben ohne“-Schwimmen erhalten, was darauf hindeutet, dass viele Frauen ihre Entscheidung aus persönlichen Gründen treffen.
Diese gesamtgesellschaftlichen Beobachtungen werfen Fragen über die Akzeptanz von Körpern und die individuelle Freiheit auf. Auch wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen sich geändert haben, scheint es, dass das gesellschaftliche Klima für viele Frauen noch nicht bereit ist, diese Freiheiten in vollem Umfang auszuleben. Es bleibt abzuwarten, ob sich dazu in Zukunft eine Veränderung anbahnen könnte.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Frauen, die oberkörperfrei baden möchten, haben sich in Deutschland in den letzten Jahren deutlich verändert. Diese Entwicklung steht im Kontext einer breiteren gesellschaftlichen Diskussion über Gleichstellung und Körperbewusstsein. Die Gesetzgebung in verschiedenen deutschen Bundesländern hat sich zunehmend für eine Entkriminalisierung von Nacktheit in öffentlichen Bereichen eingesetzt, was auch bei anderen Freizeitaktivitäten wie dem FKK-Baden zu beobachten ist. In vielen Städten, darunter auch Berlin, sind Initiativen entstanden, die sich für mehr Offenheit in Bezug auf den eigenen Körper und die Selbstbestimmung einsetzen.
Das öffentliche Bad als Raum der sozialen Interaktion
Öffentliche Bäder sind nicht nur Orte der Erholung, sondern auch soziale Treffpunkte. Sie bieten eine Plattform für Interaktionen zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Altersgruppen. In den Bädern spiegelt sich häufig die jeweilige gesellschaftliche Situation wider. In Städtischen Räumen werden Bäder zunehmend zu Orten, an denen Themen wie Geschlechtergleichheit und kulturelle Unterschiede thematisiert werden. Die Diskussion über das „Oben ohne“-Baden ist nur ein Beispiel für die Auseinandersetzung mit Körperbildern und gesellschaftlichen Normen in der Öffentlichkeit.
Dieser Wandel wird auch durch zunehmende Bewegungen wie den Feminismus und Körperpositivismus unterstützt. Organisationen und Einzelpersonen setzen sich dafür ein, dass das Körperbild nicht durch Geschlechterrollen oder gesellschaftliche Konventionen eingeschränkt wird. Diese positive Entwicklung könnte dazu beitragen, dass mehr Frauen sich in öffentlichen Räumen wohler fühlen, wenn sie sich für das „Oben ohne“-Baden entscheiden.
Das Phänomen der Körperwahrnehmung in der Gesellschaft
Die Wahrnehmung des eigenen Körpers hat stark mit gesellschaftlichen Normen, Medienbildern und kulturellen Faktoren zu tun. Studien zeigen, dass Frauen häufig unter dem Druck stehen, einem bestimmten Körperideal zu entsprechen. Diese Druckverhältnisse beeinflussen nicht nur das Selbstbild, sondern auch das Verhalten in öffentlichen Räumen wie Schwimmbädern. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Statista gaben 65 Prozent der befragten Frauen an, sich manchmal in Badeanzügen unsicher zu fühlen, während ähnliche Empfindungen in Bezug auf die Mode der Männer seltener genannt wurden.
Die damit verbundenen Ängste, sich öffentlich zu zeigen, können dazu führen, dass Frauen sich weniger für alternative Badeoptionen wie das „Oben ohne“-Schwimmen entscheiden. Umso wichtiger ist es, dass die Gesellschaft einen Raum bietet, der eine diversifizierte Körperwahrnehmung fördert und Frauen ermutigt, sich in ihrem Körper wohl zu fühlen, unabhängig von Normen oder Erwartungen.
Die Rolle der Medien in der Diskussion um das „Oben ohne“-Schwimmen
Die Medien spielen eine entscheidende Rolle in der Diskussion um Körperwahrnehmung und Geschlechtergerechtigkeit. Berichterstattung über Themen wie „Oben ohne“-Schwimmen können dazu beitragen, das Bewusstsein für solche Fragen zu schärfen und gesellschaftliche Normen herauszufordern. Auch wenn das Hauptaugenmerk oft auf sensationellen Aspekten liegt, leisten viele Medienhäuser auch einen wertvollen Beitrag zur Aufklärung über Körperwahrnehmung, Selbstakzeptanz und die Rechte aller Menschen im öffentlichen Raum.
Es bleibt festzuhalten, dass trotz zunehmender Akzeptanz in einigen Bereichen, die Realität für viele Frauen, die sich für das „Oben ohne“ entscheiden, nach wie vor von Gefühlen der Unsicherheit und potenzieller Belästigung geprägt ist. Dies zeigt, wie wichtig es ist, fortlaufend über solche Themen zu diskutieren und in den Medien sichtbar zu machen. Die Zusammenarbeit zwischen sozialen Bewegungen, Medien und der Gesellschaft ist entscheidend, um die Einstellungen gegenüber dem Körper und Geschlechterrollen weiterhin zu verändern.