In Wittenberg wird die Stadtgemeinde ihre Haltung zur christlichen Judenfeindschaft in einer neuen Ausstellung verstärken. Diese Initiative zielt darauf ab, eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu fördern und gleichzeitig das historische Relief der „Judensau“ an der Stadtkirche zu bewahren.
Die Bedeutung der Ausstellung
Die geplante Wanderausstellung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische-Oberlausitz (EKBO) bietet einen tiefen Einblick in die historische Judenfeindschaft, die in den darstellenden Kunstwerken der Kirche verwurzelt ist. Mit insgesamt 29 Tafeln beleuchtet die Ausstellung wiederkehrende Motive und gefährliche Verschwörungserzählungen, die über die Jahrhunderte hinweg in der christlichen Lehre verbreitet wurden.
Verantwortung erkennen und übernehmen
Hanna Kasparick, die ehemalige Direktorin des Wittenberger Predigerseminars, betont, dass es wichtig ist, die „Judensau“-Darstellung im öffentlichen Raum zu belassen. Sie argumentiert, dass es nicht um eine Verdrängung, sondern um die Übernahme von Verantwortung gehe. „Es ist ein Ort, wo Haltung gelernt und gelebt werden kann“, erklärt sie. Dies verdeutlicht das Engagement der Gemeinde, eine Plattform für Dialog und Reflexion zu schaffen.
Kritische Stimmen und gesellschaftlicher Diskurs
Die Entscheidung, die umstrittene Darstellung an der Kirchenwand zu belassen, hat bereits zu verschiedenen Reaktionen geführt. Einige fordern die Entfernung des Reliefs, während andere, wie Cornelia Winkelmann vom Gemeindekirchenrat, darauf hinweisen, dass der Erhalt eine Chance bietet, sich intensiv mit den Gräueltaten auseinanderzusetzen, die im Laufe der Geschichte von verschiedenen christlichen Institutionen begangen wurden.
Ein Gemeinschaftsprojekt mit Tradition
Die Ausstellung wird am 2. August in der Stadtkirche St. Marien eröffnet. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sowie Sachsen-Anhalts Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) werden an der Eröffnung teilnehmen. Dies geschieht im Kontext des „Israelsonntags“, der das besondere Verhältnis zwischen Christen und Juden hervorhebt, und verbindet die historische Dimension der Kirche, die eng mit der Reformation und Martin Luther verknüpft ist.
Künstlerische Interventionen und Dialogangebote
Zudem wurde vorgeschlagen, das antijüdische Relief temporär in einer künstlerischen Intervention zu verhüllen, was von den Verantwortlichen der Kirche als grundsätzlich offene Idee betrachtet wird. Diese Ansätze zeigen, dass das Thema Judenfeindschaft nicht nur historisch relevant ist, sondern auch in der heutigen Gesellschaft einen Dialog anregen kann, der für viele von Bedeutung ist.
Diese Ausstellung und die begleitenden Diskurse laden die Wittenberger und alle Interessierten dazu ein, sich mit der komplizierten Beziehung zwischen Christentum und Judentum auseinanderzusetzen. Indem die Wittenberger Stadtkirche diesen Weg beschreitet, leistet sie einen wertvollen Beitrag zur Aufarbeitung und zum Verständnis der eigenen Vergangenheit und trägt zur Sensibilisierung für Antisemitismus in der heutigen Zeit bei.
– NAG