In Niedernberg erleben Kinder im Natur- und Bauernhofkindergarten eine besondere Form der frühkindlichen Bildung. Das Konzept, das seit September 2023 in einer ehemaligen Pferdeweide verwirklicht ist, bietet für 19 Jungen und Mädchen im Alter von drei bis sechs Jahren einen Lebensraum, der stark mit der Natur verbunden ist. Hier sorgen die Kinder nicht nur für die Tiere, sondern lernen auch, wie sie selbst Gemüse aus dem eigenen Bio-Garten pflanzen und ernten können.
Der Alltag im Kindergarten ist geprägt von Aktivitäten im Freien. Die Kinder beschäftigen sich mit den Tieren des Hofs, gehen spielen und entdecken in der Natur. „Wir betreiben seit Jahren einen Erlebnisbauernhof und hatten schon viele Schulklassen hier“, erläutert Diana Reinhart, Kreisbäuerin und Geschäftsführerin des Lindenhofs, der Träger des neuen Kindergartens ist. Der Kontakt mit der Natur sei essenziell, da viele Menschen im Alltag den Bezug dazu verloren haben.
Einzigartiges Konzept und Multiplikatoren
Der Niedernberger Kindergarten ist der einzige seiner Art in den Landkreisen Miltenberg und Aschaffenburg, was ihn zu einem besonderen Ort für die frühe Bildung macht. Die Leiterin der Einrichtung, Diana Reinhart, möchte als Multiplikatorin fungieren und andere landwirtschaftliche Betriebe sowie private Organisationen ermutigen, ähnliche Konzepte zu entwickeln. „Jeder muss lernen, sich nachhaltig zu verhalten“, sagt Reinhart und betont, dass Kinder in diesem Alter besser für solche Themen sensibilisiert werden können.
Die Eltern drücken ihre Begeisterung für das Konzept aus. Simon Messing aus Großwallstadt ist einer von vielen Väter, die von der Naturverbundenheit des Kindergartens begeistert sind. Er berichtet, dass seine Tochter Luna seit dem Besuch der Kita viel ausgeglichener ist. Auch Jessica Kunz ist überzeugt: „Es ist wirklich ein besonderer Kindergarten.“ Ihre ältere Tochter, die zuvor in einem Regelkindergarten war, habe dort eine positive Entwicklung durchgemacht und sei aufgeblüht.
Praxisnahe Lernerfahrungen
Die Kinder lernen durch direkte Erfahrungen mit den Tieren. Daniela Scherf, eine der Erzieherinnen, beschreibt die Tiere als Co-Pädagogen, die den Kindern helfen, wertschätzend mit ihren Artgenossen umzugehen. „Die Kinder lernen, die Sprache der Tiere zu lesen“, fügt sie lachend hinzu. Die Kita legt großen Wert darauf, dass die Kinder ressourcenorientiert arbeiten. Es gibt Spielzeug, aber der Fokus liegt darauf, mit der Umwelt zu interagieren, zum Beispiel beim Spielen in der Matschküche oder beim Wandern im nahen Wald.
Regelmäßige Aktivitäten im 200 Quadratmeter großen Bio-Garten sind fester Bestandteil der Erziehungsphilosophie. Dort lernen die Kinder, wie man Kräuter, Obst und Gemüse erntet. Aus den frischen Erträgen bereiten sie sogar eigene Speisen zu, wie Brennnesselsuppe und Kräuterbutter. „Wir nutzen alles, was die Natur uns gibt“, sagt Scherf und erwähnt auch, dass die Kinder Naturfarbe herstellen, um kreativ zu werden.
Die Werte, die die Kleinen im Kindergarten erlernen, beziehen sich nicht nur auf die Natur, sondern schließen auch den bewussten Umgang mit Lebensmitteln ein. Bei einem gemeinsamen Frühstücksbuffet, das unter anderem Obst, Rohkost und Honig aus dem eigenen Bienenstock beinhaltet, wird den Kindern vermittelt, woher ihre Nahrung kommt. „Was nicht auf dem Bauernhof wächst, ist so weit wie möglich bio und aus der Region“, erläutert Reinhart.
Trotz der Begeisterung haben die Eltern auch Bedenken hinsichtlich der langen Anfahrtswege. Einige der Familien kommen aus weiteren Entfernungen, was nicht im Sinne der nachhaltigen Philosophie der Einrichtung ist. „Wir wollen eigentlich ein Niedernberger Kindergarten sein“, heißt es von Reinhart, die deshalb bei Neuaufnahmen bevorzugt Kinder aus der Umgebung aufnimmt.
Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein
Die Erzieherinnen berichten von einem gestiegenen Umweltbewusstsein bei den Kindern, das sich besonders während Ausflügen zeigt, wenn sie Müll sammeln. Die Kleinen sind oftmals schockiert über den Müll, den sie finden, und es zeigt sich, dass sie für das Thema sensibilisiert werden. Auch bei Regen bleibt keine Zeit für Langeweile, denn es steht eine Schutzhütte zur Verfügung, in der die Kinder gemeinsam Zeit verbringen können.
Die Ausbildungen in der Kita entsprechen dem bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan und sind darauf ausgerichtet, Kompetenzen wie Empathie und Verantwortung durch den Kontakt zu Tieren zu fördern. Durch diese praxisnahe und naturnahe Erziehung wird den Kindern nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch die Liebe zur Natur und die Wertschätzung für nachhaltige Praktiken ein Stück nähergebracht.
Das Konzept des Bauernhofkindergartens in Niedernberg ist eingebettet in einen größeren Trend, der auf eine Rückkehr zur Natur und zur lokalen Landwirtschaft abzielt. In einer Zeit, in der viele Kinder eine zunehmend städtische Lebensweise führen, verspricht diese Form der frühkindlichen Erziehung eine direkte Verbindung zur Natur und den Ursprung der Lebensmittel. Die Idee ist nicht neu; ähnliche Konzepte gibt es in vielen Ländern, wo naturnahe Erziehung sogar Teil der staatlichen Lehrpläne ist.
In Deutschland wird der Ansatz der naturnahen Erziehung immer populärer, gerät jedoch oft in den Schatten der herkömmlichen Bildungseinrichtungen. Der Bauernhofkindergarten dient als Vorbild für andere Regionen mit dem Ziel, den Kindern eine aktive Rolle in der Natur zu bieten. Solche Initiativen fördern nicht nur das Wissen über biologische Prozesse, sondern auch das Verantwortungsbewusstsein der Kinder gegenüber der Umwelt.
Der Einfluss von Naturerfahrung auf die frühkindliche Entwicklung
Die frühkindliche Entwicklung wird maßgeblich durch Erfahrungen in der Natur beeinflusst. Studien zeigen, dass Kinder, die viel Zeit im Freien verbringen, oft besser in sozialen Fähigkeiten und Problemlösungen sind. Sie lernen nicht nur, selbstständig zu sein, sondern auch, Verantwortung zu übernehmen. Durch den Kontakt mit Tieren, wie den im Lindenhof lebenden Meerschweinchen oder Schafen, entwickeln sie Empathie und Verständnis für Lebewesen, was zentrale Werte für eine nachhaltige Lebensweise sind. Ein Bericht des Bundesumweltministeriums weist darauf hin, dass diese Erfahrungen auch das Umweltbewusstsein und die Naturverbundenheit fördern.
Zusätzlich haben Forscher herausgefunden, dass Aktivitäten im Freien Stress reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden erhöhen können. Die Kinder im Bauernhofkindergarten erleben täglich und spielerisch, wie man im Einklang mit der Natur lebt – eine Lektion, die ihnen im späteren Leben von großem Nutzen sein kann. Die Kombination von Lernen, Spielen und Arbeiten in einem naturbelassenen Umfeld hat positive Auswirkungen auf die emotionale und soziale Entwicklung.
Die Rolle von Regionalität und Nachhaltigkeit
Regionalität und Nachhaltigkeit stehen im Zentrum des pädagogischen Konzepts des Bauernhofkindergartens. Der direkte Zugang zu saisonalen und regionalen Lebensmitteln ist essenziell. Das bedeutet nicht nur, dass die Kinder lernen, woher ihre Lebensmittel kommen, sondern auch, dass sie die Bedeutung von regionalen Erzeugnissen schätzen. Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ist der Konsum lokaler Produkte nicht nur umweltfreundlicher, sondern unterstützt auch die lokale Wirtschaft.
Im Kindergarten wird den Kindern auch vermittelt, wie wichtig es ist, Abfall zu vermeiden und Ressourcen zu schonen. Aktivitäten wie das Sammeln von Müll während Ausflügen fördern ein Bewusstsein für Umweltprobleme und helfen, gute Gewohnheiten zu entwickeln. Reinhart hebt hervor, dass die Kinder oft geschockt sind über die Menge an Müll, die sie finden, was zu Diskussionen und letztlich auch zu einem reflektierteren Umgang mit Müll führt.
Der Bauernhofkindergarten Niedernberg bleibt nicht isoliert; die Erzieher und Eltern streben eine Gemeinschaft an, in der Wissensaustausch und gegenseitige Unterstützung im Vordergrund stehen. Dies führt nicht nur zu einer starken Gemeinschaft, sondern trägt auch dazu bei, die Zukunft der Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit weiter zu festigen.
Für weitere Informationen über die Prinzipien der naturnahen Erziehung und deren Vorteile, besuchen Sie bitte die Seite des Bundesumweltministeriums.