Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) hat einen bedeutenden Schritt in der Aufarbeitung vergangener Gewaltverbrechen getan. Dabei wurden 30 Gewaltdelikte, die zwischen 1984 und 2020 stattfanden und mit Todesfolgen verbunden waren, einer erneuten Prüfung auf mögliche rechtsextremistische Hintergründe unterzogen. Dieser Prozess wurde angestoßen, nachdem ein vorheriger Fall aus dem Jahr 2003 nachträglich als rechtsextrem motiviertes Tötungsdelikt anerkannt wurde. In einem klaren Schritt zur Verantwortungserklärung wurden Experten beauftragt, vergangene Ereignisse mit unvoreingenommener Sichtweise zu analysieren.
Die Überprüfung dieser Delikte ergab, dass sieben der geprüften Fälle als politisch motivierte Taten eingeordnet werden sollten. Dies könnte erhebliche Auswirkungen auf die statistische Erfassung von Gewaltdelikten in Nordrhein-Westfalen haben, da die Polizei nun einen genaueren Blick auf die Motive hinter diesen Taten lenken könnte. Innenminister Herbert Reul betont die Notwendigkeit, dass Rechtsextremismus klar benannt und in der Statististik erfasst werden muss. „Dass wir die Fälle aus der Vergangenheit neu betrachtet und bewertet haben, war erforderlich“, so Reul. Diese Neubewertungen sind insbesondere für die Hinterbliebenen von großer Bedeutung, da sie ein Gefühl der Gerechtigkeit und des Verständnisses vermitteln können.
Die Methodik der Analyse
Die interdisziplinäre Expertengruppe, geleitet von einem Politikwissenschaftler, hat mehr als ein Jahr an dieser Aufgabe gearbeitet. Die Ermittlungsergebnisse basieren auf einer sorgfältigen Analyse von Gerichtsurteilen und Verfahrensakten. Dabei stellte sich die zentrale Frage: War die Tötung eines oder mehrerer Menschen durch rechtsextreme Motive motiviert? Durch diese detaillierte Herangehensweise hofft das LKA, ein umfassendes Bild von den Motiven hinter den Verbrechen zu zeichnen, und rechtsextreme Gewalt klar als solche zu benennen.
Ingo Wünsch, der Direktor des LKA NRW, hebt hervor, dass das Projekt „ToreG NRW“ nicht nur eine Tatsache der Kriminalitätsstatistik darstellt, sondern auch eine gesellschaftliche Verantwortung in der Aufklärung der Geschehnisse reflektiert. „Mit dem Projekt ToreG NRW stellen wir uns der gesellschaftlichen Verantwortung als Polizei in Nordrhein-Westfalen. Das interdisziplinäre Projektteam meines Hauses verfolgte den Ansatz, bei der Bewertung auch die heutige Erkenntnislage sowie zeitgemäße gesellschaftliche Perspektiven und Sensibilitäten auf Rechtsextremismus mit einzubeziehen“, erklärt Wünsch weiter.
Die Entscheidung, vergangene Taten in einen neuen Kontext zu stellen, ist auch ein Signal, dass die Polizei und die Regierung aus der Vergangenheit lernen und kontinuierlich daran arbeiten, ihre Methoden anzupassen. Es geht darum, eine präzise und transparente Dokumentation von Gewaltdelikten zu gewährleisten, um ein bewussteres Geschehen zu fördern und rechtsextremer Gewalt entgegenzutreten.
Diese Neubewertung und Aufarbeitung kann auch als Teil eines größeren Trends innerhalb Deutschlands gesehen werden, in dem das Bewusstsein für rechtsextreme Gewalt gestärkt wird. Die Diskussion über den Umgang mit solchen Themen gewinnt nicht nur in den politischen Debatten, sondern auch in der Gesellschaft an Bedeutung. Die Anstrengungen, die hinter diesen Neuanalysen stehen, unterstreichen den Wunsch, gegen rechtsextreme Ideologien klar Stellung zu beziehen.