Die biologische Landwirtschaft hat in der Gesellschaft einen fast unantastbaren Ruf. Während viele Verbraucher annehmen, dass Bio-Lebensmittel umweltfreundlich, gesund und nachhaltig sind, gibt es in der wissenschaftlichen Gemeinschaft erhebliche Zweifel an diesen Annahmen. Eine kürzliche Informationskampagne des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung, die den Namen „Bio? Na Logo!“ trägt, bedient sich romantisierender Narrative und vermittelt den Eindruck, dass biologische Praktiken unbedingt mit hohen Umweltstandards einhergehen. Doch diese Sichtweise könnte zu kurzsichtig sein.
Ein zentrales Problem ist die tatsächliche Verwendung von Pestiziden in der Bio-Landwirtschaft, die nicht immer so harmlos ist, wie es den Anschein hat. Der Einsatz natürlicher Substanzen, die als umweltfreundlicher gelten, ist nicht zwangsläufig unproblematisch. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz von Kupfer im Bio-Weinbau. Dieses Schwermetall wird verwendet, um verschiedene Pilzkrankheiten zu bekämpfen. Ironischerweise hat Kupfer toxische Effekte auf die Umwelt und erfordert häufigere Anwendungen, was zu einer Erhöhung des CO2-Ausstoßes führt.
Die Ursprünge des Bio-Dogmas
Um die Hürden und Herausforderungen der Bio-Landwirtschaft zu verstehen, ist ein Blick auf die Geschichte der Bewegung unvermeidlich. Im frühen 20. Jahrhundert führte die Einführung von synthetischen Düngemitteln und Pestiziden zu erheblichen Ertragssteigerungen, jedoch auch zu dramatischen ökologischen Schäden. Diese negative Entwicklung brachte viele dazu, nach alternativen Methoden zu suchen und die biologische Landwirtschaft zu propagieren, die auf der Ablehnung industrieller Hilfsmittel basiert. Dieses Dogma setzt den Grundsatz fest, dass synthetische Mittel grundsätzlich schlecht und natürliche Mittel gut sind.
Dieser Ansatz ist jedoch nicht mehr zeitgemäß. In der modernen Wissenschaft gibt es Fortschritte, die die negativen Auswirkungen synthetischer Mittel reduzieren können und in bestimmten Fällen sogar eine bessere Umweltbilanz aufweisen als bedeutende biobasierte Alternativen. Der Fokus auf die Quelle der eingesetzten Mittel könnte überholt sein und die Diskussion um die dringend benötigten Konzepte zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs einschränken.
Ein mangelhafter Rahmen
Die EU-Bio-Verordnung lässt in Bezug auf nachhaltige Praktiken viele Fragen offen. Zwar wird oft argumentiert, dass Bio-Produkte umweltfreundlich sind, doch in der Realität zeigt sich eine andere Seite. So werden beispielsweise Bio-Tomaten unter Bedingungen angebaut, die mit hohem Wasserverbrauch und CO2-Emissionen einhergehen. Außerdem können Arbeitsbedingungen in diesem Sektor weit von ethischen Standards entfernt sein, auch in Deutschland. Das EU-Bio-Siegel, welches für nachhaltige Praktiken steht, wird nicht immer dem gerecht, was Verbraucher erwarten.
In den letzten Jahren ist der Druck auf die Landwirtschaft durch den Klimawandel enorm gestiegen. Es ist nicht länger ausreichend, sich auf alte Ideologien zu verlassen, wenn es darum geht, Lösungen für die neuen Herausforderungen zu finden. Die Anpassungsfähigkeit der Bio-Landwirtschaft muss hinterfragt werden.
Trotz der Schwächen und Einschränkungen haben sich einige Biobetriebe auf den Weg gemacht, jenseits der EU-Bio-Richtlinien an einer echten Nachhaltigkeit zu arbeiten. Eine solche Initiative ist FAIR’N GREEN, die von führenden Winzern ins Leben gerufen wurde. Diese Plattform fördert einen Ansatz, der sich auf nachweislich umweltschonende und sozial verantwortliche Praktiken stützt.
Insgesamt hat sich ein modernes System entwickelt, das über 220 Kriterien jährlich überprüft, um zu gewährleisten, dass die teilnehmenden Betriebe nicht nur nachhaltig, sondern auch sozialverantwortlich wirtschaften. Bis heute haben sich etwa 170 Betriebe aus elf Ländern der Initiative angeschlossen und zeigen so, dass es möglich ist, echte Nachhaltigkeit umzusetzen.