In der Lausitz, einer Region mit einer langen Geschichte im Braunkohleabbau, steht ein tiefgreifender Wandel bevor. Der Ausstieg aus der Kohlenutzung ist beschlossene Sache und die Transformation zu nachhaltigen Energiequellen hat begonnen. Dies wirft Fragen zu den zukünftigen Perspektiven und Herausforderungen auf.
Silke Butzlaff, eine Baggerführerin, hat kürzlich den letzten Gang mit dem ältesten Eimerkettenbagger ihres Reviers gemacht. Ihre Traurigkeit über den bevorstehenden Abschied vom Braunkohleabbau ist spürbar. „Es gibt kein Zurück“, sagt sie, während sie den Verlust ihrer beruflichen Identität und die damit verbundene Wertschätzung bedauert. Die politische Unsicherheit über den Ausstiegszeitpunkt, der ursprünglich auf 2038 festgelegt war, dann jedoch auf 2030 vorverlegt werden könnte, hat weiteren Druck auf die Beschäftigten in der Region ausgeübt.
Der Strukturwandel in der Lausitz
Die Umstellung von einem Kohle-basierten zu einem erneuerbaren Energiesystem ist ein Kernauftrag in der Lausitz. Wo einst riesige Bagger die Landschaft prägten, sollen bald Naturgebiete, Seen sowie Wind- und Solarparks entstehen. Es gibt ambitionierte Pläne, ein führendes Zentrum für erneuerbare Energien in Deutschland zu etablieren.
Jörg Waniek, Personalvorstand des Energiekonzerns Leag, ist sich bewusst, dass die Veränderungen weitreichende Auswirkungen auf die Belegschaft haben werden. Viele junge Menschen stellen Fragen zur notwendigen Ausbildung für die neuen Tätigkeitsfelder im Rahmen der Energiewende. Waniek sehnt sich nach klaren Perspektiven für die Zukunft, die er seinen Mitarbeitern bieten könnte.
Ein umfassendes Strukturhilfepaket von 17 Milliarden Euro ist in Aussicht gestellt worden, um die Region bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zu unterstützen. Die parteilose Bürgermeisterin Christine Herntier sieht den Kohleausstieg als große Chance, die Attraktivität ihrer Stadt Spremberg zu steigern. „Wir wollen eine europäische Modellregion für den Strukturwandel werden“, erklärt sie mit Überzeugung.
Doch der Weg zur Transformation birgt auch gefährliche Fallen. Franziska Stölzel, die in Weißwasser zum Strukturwandel forscht, hebt hervor, dass seit der Wende fast 90 Prozent der ehemaligen Kohlearbeiter ihre Arbeitsplätze verloren haben und die Bevölkerung der Region stark geschrumpft ist. “Es muss attraktiver für junge Menschen werden”, betont sie und kritisiert die demografische Schieflage. Entscheidende Veränderungen werden vor allem von älteren Männern und Pensionären initiiert, was die zukünftige Ausrichtung fragwürdig erscheinen lässt.
Der Kampf um soziale Gerechtigkeit
Stölzel warnt, dass das Fehlen einer weiblichen Perspektive im Strukturwandel zu sozialen Problemen führen kann. Studien zeigen, dass Gesellschaften mit einem großen Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern anfälliger für Gewalt und Extremismus sind. Die Unsicherheit im vergangenen Jahr hat Bürgerinnen und Bürger das Gefühl gegeben, nicht in den Transformationsprozess einbezogen zu sein. Diese Wahrnehmung von Ungerechtigkeit wird von vielen als Hinderungsgrund für ein aktives Engagement in der Gemeinschaft gesehen.
Widerstandsfähigkeit und Optimismus sind in dieser Zeit, in der viele Menschen unzufrieden und besorgt über die Zukunft sind, von zentraler Bedeutung. Der Gewerkschafter und Revierbotschafter Lars Katzmarek versucht, den Menschen in der Region durch seine Raptexte Mut zuzusprechen. „Die Wüste lebt, mehr als ihr glaubt“, rappt er und spricht damit die ungenutzten Potenziale an, die im Strukturwandel verborgen sind. Sein Glaube an eine positive Wende in der Region steht im Kontrast zu der verbreiteten Skepsis, die auf den temporären Verlust von Arbeitsplätzen und sozialer Sicherheit zurückzuführen ist.
Die Lausitz steht an einem Wendepunkt. Der Abbau der Braunkohle, dieser jahrelange Wirtschaftszweig, wird in naher Zukunft enden. Während sich die Region auf neue Energietechnologien und Arbeitsmöglichkeiten konzentriert, bleibt die Frage offen, wie die Gemeinschaft zusammenarbeiten kann, um diese Transformation erfolgreich zu gestalten. Mit einem vorsichtigen Optimismus und dem Wunsch nach Fortschritt versuchen viele, angesichts der Schwierigkeiten einen Weg nach vorn zu finden.