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75 Jahre Waldorfschule in Bremen: Erinnerungen eines ehemaligen Schülers

"Anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Freien Waldorfschule in Bremen, wo Ulrich Siegers und weitere Musiker im Kammermusikensemble auftraten, wird die bedeutende Rolle der Musik und der ganzheitlichen Pädagogik in der Schulbildung gewürdigt."

Die Freie Waldorfschule in der Touler Straße in Bremen blickt auf 75 Jahre Schulgeschichte zurück und feiert dieses bedeutende Jubiläum mit ihren ehemaligen und aktuellen Schülern sowie Lehrern. Der 81-jährige Ulrich Siegers, welcher schon in der ersten Stunde der Schule aktiv war, wird Teil der Feierlichkeiten sein. Er hat seine Leidenschaft für Musik, die er in seiner Kindheit dort entdeckte, nie verloren und spielt jetzt in einem Kammermusikensemble. Dies spiegelt nicht nur seine persönliche Reise wider, sondern auch die Philosophie der Waldorfschulen, die Kunst und praktische Fächer in den Lehrplan integrieren.

Der Schultag in der Waldorfschule beginnt traditionell mit Bewegung, um die Schüler auf den Unterricht vorzubereiten. Geschäftsführer Martin Karsten erklärt: „Die Sinne sollen aktiviert werden.“ In der Waldorfpädagogik wird großer Wert auf die individuelle Entwicklung des Kindes gelegt. Diese Methode folgt dem Ansatz, dass jedes Kind unterschiedliche Phasen durchläuft und die Schule entsprechend darauf reagieren sollte.

Vielfalt des Lehrplans

Ein zentrales Merkmal der Waldorfpädagogik ist der Epochenunterricht, bei dem ein Thema über mehrere Wochen intensiv behandelt wird. So lernen die Schüler beispielsweise geometrische Konzepte mithilfe von Mathematik und Deutsch. In der zehnten Klasse gehen die Schüler sogar auf eine Feldmessfahrt, um ihr Wissen in der Praxis anzuwenden, und erstellen am Ende eine Landkarte. Dies fördert nicht nur das Lernen, sondern auch Teamarbeit und Kreativität.

In der Aula wird lebendig Theater gespielt: Die zwölfte Klasse übt gerade ein Stück von Friedrich Dürrenmatt und hat die Verantwortung, alles von der Inszenierung bis zur Lichttechnik selbst zu organisieren. Diese Projekte sind Teil der Ausbildung, die nicht nur künstlerische Fähigkeiten, sondern auch Gruppenarbeit und Verantwortung fördert.

Kunst und Musik im Fokus

Sievers betont, dass die Erlebnisse in der Waldorfschule seine Liebe zur Musik geprägt haben. „Die monatlichen Aufführungen gaben mir die Sicherheit, auf die Bühne zu treten,“ erzählt er. Musik hat auch heute einen hohen Stellenwert in der Schule, mit Angeboten wie Chor und Orchester. Diese Tradition der Förderung künstlerischer Talente ist eine der Stärken der Waldorfpädagogik.

Die Schule im Bremer Stadtteil hat sich jedoch nicht nur durch ihre künstlerische Ausrichtung etabliert. Aktuell gibt es in Deutschland 256 Waldorfschulen, darunter vier in Bremen. Diese privaten Institutionen sind teilweise auf Schulgeld angewiesen und erhalten oft weniger Unterstützung als staatliche Schulen. Martin Karsten weist darauf hin, dass durch Spenden und das Schulgeld ein hoher Zulauf gewährleistet ist, obwohl die Finanzierungsstruktur kritisch betrachtet wird.

Das Schulgeld beträgt derzeit 297 Euro, und viele Familien profitieren von einem Fonds zur Schulgeldermäßigung. Dies ist besonders wichtig, da oft die Sorge besteht, dass Waldorfschulen nur für wohlhabende Familien zugänglich sind. Karsten glaubt, dass diese Wahrnehmung nicht ganz zutrifft, da die Schule bemüht ist, anderen Familien ebenfalls eine Chance zu geben.

Die Debatte über die anthroposophischen Prinzipien, auf denen die Waldorfschule basiert, wird ebenfalls angestoßen. Kritiker bemängeln, dass Konzepte wie Reinkarnation und die okkulte Viergliederung des Menschen im Unterricht keinen Platz haben sollten. Lehrerin Kerstin Decker, die von einer staatlichen Schule an die Waldorfschule gewechselt hat, unterstützt diese Einschätzung und erkennt an, dass viele Inhalte der anthroposophischen Lehre überarbeitet werden müssen. Sie stellt fest, dass die Schulen sich anpassen und auf die steigende Kritik reagieren.

Diese Aspekte zeigen, dass die Freie Waldorfschule nicht nur ein Bildungsort ist, sondern ein Ort des Lernens, der durch Traditionen und neue Herausforderungen geprägt ist. Die Schüler von heute können die gleichen Chancen zur persönlichen und künstlerischen Entfaltung erleben wie Ulrich Siegers vor 75 Jahren. Das Jubiläum dieser Schulform wird wie ein Funke für die nächsten Generationen der Schüler fungieren, die ebenfalls eine bildende und bereichernde Schulzeit erleben können.

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