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Alarmstufe Rot: Tierärztemangel gefährdet die Versorgung von Nutzvieh in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt fehlen aufgrund hoher Arbeitsbelastung und langer Arbeitszeiten zunehmend Tierärzte für Nutztiere, was insbesondere die Versorgung kleinerer Bestände und Notdienste erschwert, wie der Präsident der Tierärztekammer warnt.

Die Sorgen um die Tiergesundheit in Sachsen-Anhalt nehmen zu, und das hat vor allem mit einem dramatischen Rückgang an Tierärzten zu tun, die sich auf Nutztiere spezialisieren. Diese Entwicklung ist alarmierend, denn in den letzten drei Jahrzehnten hat sich die Anzahl der niedergelassenen Tierärzte, die ausschließlich für Großtiere zuständig sind, von ehemals 130 auf derzeit nur noch 28 reduziert. Wolfgang Gaede, der Präsident der Tierärztekammer, äußerte sich dazu in der Mitteldeutschen Zeitung. Er betont, dass traditionelle Praxen, die sich ausschließlich um Nutztiere kümmern, zunehmend an Bedeutung verlieren.

Ende 2023 zählte Sachsen-Anhalt insgesamt 576 Tierärzte – ein Anstieg gegenüber 2013, als es nur 458 waren. Doch dieser Anstieg birgt einen Widerspruch, denn die Zahl der Praxen hat sich verringert. So gibt es aktuell nur noch 329 Praxen, im Vergleich zu 343 im Jahr 2023. Besonders besorgniserregend ist der hohe Altersdurchschnitt der Tierärzte im Bundesland. Ein Drittel von ihnen ist zwischen 50 und 59 Jahre alt, was auf einen bevorstehenden Fachkräftemangel hindeutet.

Der Rückgang der traditionellen Praxen

Die Gründe für diesen Rückgang sind vielfältig. Zum einen hat sich die Tierarztlandschaft gewandelt. Immer mehr Tierärzte arbeiten in Mischpraxen, die nicht nur Nutztiere, sondern auch Kleintiere behandeln. Diese Mischpraxen übernehmen oft die Verantwortung für die Versorgung von Tierbeständen, doch dies führt dazu, dass die fachkundige Betreuung für spezifische Bedürfnisse der Nutztiere leidet.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass gerade kleinere landwirtschaftliche Betriebe Schwierigkeiten haben, einen Tierarzt zu finden. In größeren Unternehmen ist die Situation stabiler, da diese häufig angestellte Hoftierärzte haben, die direkt im Betrieb arbeiten. Doch gerade in ländlichen Gegenden des südlichen Sachsen-Anhalt sieht Wolfgang Gaede Engpässe, insbesondere bei Notdiensten. „Wenn der Hoftierarzt mit einer Anfahrt von drei Stunden beschäftigt ist, ist eine schnelle Verfügbarkeit oft nicht möglich“, erklärt Gaede.

Die Herausforderungen für zukünftige Tierärzte

Ein weiteres Problem ist der Strukturwandel im Berufsfeld. Viele frische Absolventen möchten nämlich nicht mehr in eigener Praxis arbeiten, sondern ziehen eine Anstellung in Teilzeit vor. Diese Entwicklung hat negative Auswirkungen auf die Notdienstbereitschaft und die umfassende tiermedizinische Betreuung der landwirtschaftlichen Betriebe. Um der Problematik zu begegnen, rät Gaede den Tierhaltern, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen und sich nicht erst in Notfallsituationen um einen Tierarzt zu bemühen.

Die Situation in Sachsen-Anhalt spiegelt einen breiteren Trend innerhalb der Tiergesundheitsversorgung in Deutschland wider. Die Umstellung von traditionellen Arbeitsweisen hin zu flexibleren Beschäftigungsmodellen und die geringen Anreize für Tierärzte, sich auf Nutztiere zu spezialisieren, stellen Herausforderungen dar.

Handlungsbedarf in der Tierärztlichen Versorgung

Die starke Reduzierung der Tierärzte für Nutztiere in Sachsen-Anhalt lässt darauf schließen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Die Kombination aus dem Rückgang an Praxen, der Überlastung der wenigen verbleibenden Tierärzte und dem demografischen Wandel macht es nötig, Anreize zu schaffen, um mehr junge Tierärzte für die Arbeit mit Nutztiere zu gewinnen. Es wird wichtig sein, Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation in den Griff zu bekommen, bevor es zu spät ist. Die Gesundheit der Nutztiere ist nicht nur für die Tierbesitzer entscheidend, sondern auch für die gesamte Landwirtschaft im Bundesland.

Ursachen für den Rückgang der Tierärzte für Nutztiere

Der Rückgang der Tierärzte für Nutztiere in Sachsen-Anhalt kann auf mehrere Faktoren zurückgeführt werden. Einer der Hauptgründe sind die Arbeitsbedingungen in der Nutztiermedizin. Lange Arbeitszeiten und eine hohe körperliche Belastung führen dazu, dass viele junge Tierärzte sich für eine weniger belastende Anstellung entscheiden. Zudem haben viele Tierärzte eine abhängige Anstellung in Mischpraxen oder kleineren Praxen, anstatt eine eigene Nutztierpraxis zu eröffnen.

Ein weiteres Problem sind die verändernden Anforderungen an die Tierärzte. Die zunehmenden Anforderungen im Bereich der Tiergesundheit sowie die Notwendigkeit, immer komplexere medizinische Kenntnisse zu besitzen, können abschreckend wirken. Oftmals sind Tierärzte in der Nutztiermedizin auch mit administrativen Hürden konfrontiert, die zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen und die eigentliche tiermedizinische Tätigkeit erschweren.

Aktuelle Entwicklungen und Ausbildungsfragen

Die Ausbildung von Tierärzten spielt eine entscheidende Rolle bei der künftigen Versorgung von Nutztieren. In den letzten Jahren haben einige Universitäten begonnen, spezifische Programme anzubieten, die sich auf die Nutztiermedizin konzentrieren, um diesem Trend entgegenzuwirken. Diese Programme sollen sicherstellen, dass angehende Tierärzte nicht nur die fachlichen Fähigkeiten erwerben, sondern auch auf die Herausforderungen und Besonderheiten der Nutztierhaltung vorbereitet sind.

Besonders wichtig ist die Förderung von Praktika in der Nutztiermedizin, um den Studierenden praktische Erfahrungen zu ermöglichen. Diese Erfahrungen können dazu beitragen, die Attraktivität des Berufes zu erhöhen und den jungen Tierärzten zu zeigen, dass die Arbeit mit Nutztieren herausfordernd, aber auch sehr erfüllend sein kann.

Einfluss der Digitalisierung auf die Tiermedizin

Die fortschreitende Digitalisierung hat auch die Tiermedizin erreicht und bietet Potenziale zur Verbesserung der tiermedizinischen Versorgung. Telemedizin, digitale Patientenakten und Online-Konsultationen können die Kommunikation zwischen Tierärzten und Landwirten erleichtern und die Erreichbarkeit der Tierärzte verbessern, insbesondere in ländlichen Gebieten. Diese Technologien könnten helfen, die Herausforderungen von Notdiensten und der örtlichen Verfügbarkeit von Tierärzten zu adressieren.

Zudem gibt es Entwicklungen im Bereich der tiermedizinischen Software, die den Verwaltungsaufwand für Tierärzte reduzieren könnten, sodass sie mehr Zeit für die eigentliche Behandlung der Tiere haben. Dies könnte die Attraktivität des Berufs insgesamt erhöhen und möglicherweise dazu beitragen, den Rückgang der Nutztierpraktiken aufzuhalten.

Statistiken zur Tierarztversorgung

Laut der tierärztlichen Kammer Sachsen-Anhalt ist der Altersdurchschnitt der Tierärzte im Bundesland hoch, und etwa ein Drittel der praktizierenden Tierärzte sind zwischen 50 und 59 Jahre alt. Aktuelle Daten zeigen, dass während der Zahl der insgesamt praktizierenden Tierärzte in Sachsen-Anhalt gestiegen ist, die Zahl der spezialisierten Nutztierärzte dramatisch gesunken ist. Dies wirft ernsthafte Fragen zur langfristigen Versorgung der Landwirtschaft auf.

Jahr Anzahl der Nutztierärzte Gesamtzahl der Tierärzte
1990 130 N/A
2023 28 576
2013 N/A 458

Diese Daten verdeutlichen den Trend und die Notwendigkeit, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eine nachhaltige tierärztliche Versorgung in der Landwirtschaft sicherzustellen.

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