Am Abend des 31. August 1939 geschah etwas, das die Welt für immer verändern sollte. SS-Soldaten übernahmen die Kontrolle über einen deutschen Radiosender im oberschlesischen Gleiwitz, dem heutigen Gliwice in Polen. Mit einer inszenierten Botschaft, die in polnischer Sprache verfasst war, riefen sie zu einem bewaffneten Angriff gegen Deutschland auf. Die Aktion war jedoch nicht mehr als ein erbärmlicher Trick, um einen Vorwand für den bevorstehenden Überfall auf Polen zu schaffen. Um ihre Lüge zu untermauern, hinterließen die Soldaten die Leiche eines unschuldigen polnischen Zivilisten, der zuvor ermordet worden war. Diese gefälschte Aggression war Teil einer Reihe ähnlicher Provokationen, die von Adolf Hitler orchestriert wurden, um einen Krieg zu rechtfertigen und Polen zu erobern.
Die Rassenideologie Hitlers basierte auf dem traumhaften Konzept eines erweiterten „Lebensraums“ für das deutsche Volk im Osten. Der fingierte Überfall war also nicht nur eine brutale Täuschung, sondern auch ein Gift, das bereits die Luft vor dem Krieg vergiftete.
Hitlers Rede und die Kriegserklärung
„Polen hat nun heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch durch reguläre Soldaten geschossen. […] Wer sich selbst von den Regeln einer humanen Kriegführung entfernt, kann von uns nichts anderes erwarten, als dass wir den gleichen Schritt tun.“ Diese Worte waren nicht nur ein Vorwand, sondern eine bewusste Verzerrung der Realität. Das Reichspropagandaministerium stellte sicher, dass das Wort „Krieg“ in den Berichterstattungen vermieden wurde, indem es als „Rückschlag“ dargestellt wurde. So wurde aus einer offensichtlichen Aggression ein vermeintlicher Verteidigungskrieg.
Matthias Oppermann von der Konrad-Adenauer-Stiftung erklärte, dass die Inszenierung des Überfalls drei Hauptziele verfolgte: Erstens überwältigte sie die deutsche Bevölkerung mit der Vorstellung, dass Polen den Krieg provoziert habe. Zweitens sollte das internationale Publikum, vor allem Frankreich und Großbritannien, von dieser Perspektive überzeugt werden. Drittens ging es Hitler darum, ein Narrativ für die Geschichtsschreibung zu schaffen, da er glaubte, dass die Sieger die Geschichte schreiben würden.
Der brutale Einmarsch und die Folgen
Die Realität auf dem Schlachtfeld war jedoch eine andere. Der deutsche Überfall auf Polen war schnell und brutal. Die polnischen Streitkräfte waren den deutschen Panzern und Flugzeugen stark unterlegen. Wie ein Veteran der Wehrmacht erinnerte, versuchten polnische Kavalleristen, gegen die Maschinengewehrstellungen der Wehrmacht anzugreifen, doch die Taktik erwies sich als verheerend ineffektiv. Der Überfall auf Polen führte dazu, dass der gesamte Staat innerhalb von nur vier Wochen vollständig besetzt wurde.
Am 17. September marschierte dann auch die Rote Armee der Sowjetunion in Polen ein. Dies geschah aufgrund eines geheimen Pakts zwischen Hitler und Stalin, der eine Aufteilung Polens und eine Nichtangriffsverpflichtung vorsah. Vier Wochen nach dem Überfall kapitulierte Warschau, und die Nazis feierten ihren „Blitzkrieg“ als strategischen Erfolg.
Die Bilanz war katastrophal: Über fünf Millionen polnische Staatsbürger, der größte Teil Zivilisten, verloren ihr Leben. Die grausame Besetzung wurde überlagert von der systematischen Vernichtung der polnischen Juden, die in den Konzentrationslagern der Nazis ermordet wurden. Denkwürdige Zahlen zeigen, dass etwa die Hälfte der sechs Millionen ermordeten Juden aus Polen stammten.
Die Schrecken dieser Zeit hinterließen tiefe Wunden, die das Verhältnis zwischen Polen und Deutschland über Jahrzehnte prägten. Historiker erinnern daran, dass die brutalen Taten der Wehrmacht nicht nur gegen Juden, sondern auch gegen die gesamte polnische Zivilbevölkerung gerichtet waren. Andrea Löw vom Institut für Zeitgeschichte hebt hervor, dass viele polnische Familien über die Jahrzehnte hinweg mit enormen Verlusten und Trauer leben mussten, während diese Themen in Deutschland oft zu wenig gewürdigt wurden.
Die Erschütterungen des Zweiten Weltkriegs wirken bis heute nach. Die deutsche Außenpolitik muss sich ständig den Schatten der Vergangenheit stellen, insbesondere im Hinblick auf den aktuellen Konflikt in der Ukraine. Hitlers Methoden der Propaganda und Täuschung scheinen in gewisser Weise auch heute noch präsent zu sein. Parallelen zwischen dem Überfall auf Polen und dem russischen Angriff auf die Ukraine sind sichtbar, sowohl in der propagandistischen Vorbereitung als auch in der Darstellung, dass Russland sich gegen eine vermeintliche Bedrohung wehren müsse.
Matthias Dembinski vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung erklärt, dass diese geschichtlichen Erfahrungen eine wichtige Rolle bei der Orientierung in der heutigen geopolitischen Landschaft spielen müssen. Die Lehren aus der Vergangenheit, insbesondere der scheiternde Versuch, einen Tyrannen zu beschwichtigen, sind heute ebenso relevant, während die politischen Spannungen weiterhin die Sicherheitsdiskussionen prägen.