In den letzten Monaten steht die deutsche Arbeitsmarktpolitik zunehmend im Fokus, da das Auswärtige Amt bereits im ersten Halbjahr dieses Jahres über 80.000 Visa für ausländische Erwerbsmigranten ausgestellt hat. Diese Zahl verdeutlicht den anhaltenden Bedarf an Fachkräften in Deutschland, insbesondere in Zeiten des demografischen Wandels und Fachkräftemangels.
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz und seine Auswirkungen
Das seit 2020 bestehende Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurde kürzlich reformiert, um qualifizierten Arbeitskräften den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Im November 2023 traten bedeutende Änderungen in Kraft, die nicht nur die «Blaue Karte EU» betreffen, sondern auch die Bedingungen für Fachkräfte deutlich lockern. Allen voran können jetzt internationale Fachkräfte ohne vorherige Anerkennung ihrer Qualifikationen direkt nach Deutschland einreisen, sofern sie ein Arbeitsplatzangebot mit einem Mindestgehalt von 40.770 Euro nachweisen können.
Die Chancenkarte: Eine neue Möglichkeit
Ein weiteres Instrument zur Anwerbung internationaler Talente ist die am 1. Juni eingeführte Chancenkarte. Diese zielt darauf ab, den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte zu fördern, obwohl die Zahl der bisher erteilten Visa unter diesem Modell mit lediglich 200 noch gering ist. Die Voraussetzungen für die Chancenkarte umfassen eine anerkannte Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss sowie Sprachkenntnisse in Deutsch oder Englisch. Interessierte erhalten Punkte, die ihre Chancen auf das Visum steigern, je nach Alter, Berufserfahrung und Deutschlandbezug.
Digitalisierung des Visumverfahrens
Ein zentrales Element, das die Attraktivität Deutschlands als Arbeitsziel weiter steigern könnte, ist die geplante Digitalisierung des gesamten Visumverfahrens bis Januar 2025. Bislang war die Beantragung eines Visums für viele Bürgerinnen und Bürger aus Nicht-EU-Staaten mit erheblichem Aufwand verbunden und oft von langen Wartezeiten geprägt. Das Auswärtige Amt hat angekündigt, dass Visa für Fachkräfte vorrangig bearbeitet werden, was den Zugang für diese Gruppe erleichtert. Diese Schritte könnten dazu beitragen, die Attraktivität des Landes für hochqualifizierte Arbeitskräfte zu erhöhen.
Bilanz der Visa-Ausstellungen im Jahr 2023
Insgesamt wurden im Jahr 2023 über 157.000 Visa zu Erwerbszwecken ausgestellt, wovon 79.000 an Fachkräfte gingen. Dies zeigt, dass Deutschland bestrebt ist, seine Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Arbeitsmarkt zu erhalten und sich den Herausforderungen des Fachkräftemangels zu stellen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist die Zahl der erteilten Visa an Fachkräfte mehr als doppelt so hoch, was einen positiven Trend signalisiert.
Die Rolle der Westbalkanstaaten
Ein wichtiger Aspekt der Einwanderungspolitik ist auch die Ausweitung der Möglichkeiten für Arbeitskräfte aus den Westbalkanstaaten, die seit dem 1. Juni erleichtert wurden. Diese Region hat in den letzten Jahren viele gut ausgebildete Arbeitskräfte hervorgebracht, die Deutschland unterstützen könnten. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU ermöglicht es deutschen Unternehmen, Talente aus dem gesamten europäischen Raum zu rekrutieren und gleichzeitig den eigenen Arbeitsmarkt zu diversifizieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die neue Visa-Politik und die Maßnahmen zur Digitalisierung einen tiefgreifenden Einfluss auf die deutsche Arbeitsmarktsituation haben. Der Ansatz zur Anwerbung internationaler Fachkräfte zeigt, dass Deutschland sich auf dem globalen Wettbewerb um talentierte Arbeitskräfte positioniert und den Herausforderungen des demografischen Wandels proaktiv begegnet.
– NAG