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Fehler im Gesundheitswesen: Jede fünfte Behandlung birgt Risiken

In Berlin wurden im letzten Jahr 75 Todesfälle aufgrund gravierender Behandlungsfehler in der Medizin dokumentiert, wobei die Aufklärung dieser Vorfälle und die Einführung einer Meldepflicht als dringliche Maßnahmen gefordert werden, um solche vermeidbaren Tragödien in Zukunft zu verhindern.

In Deutschland gibt es alarmierende Berichte über die Sicherheit von medizinischen Behandlungen. Bei einer Veranstaltung in Berlin stellte der Medizinische Dienst seine Jahresstatistik 2023 vor, die zeigt, dass im vergangenen Jahr 75 Patienten infolge gravierender Behandlungsfehler starben. Diese Fehlhandlungen, die als „Never Events“ klassifiziert werden, sind schwerwiegende medizinische Fehler, die laut Experten niemals vorkommen sollten. Beispiele für solche Fehler sind das Verwechseln von Patienten oder die falsche Verabreichung von Medikamenten.

Die Gesundheitsbehörden haben im vergangenen Jahr rund 150 dieser schwerwiegenden Vorfälle registriert. Dies ist Teil einer größeren Problematik im Gesundheitswesen. Im Jahr 2022 waren es noch 84 Todesfälle durch Behandlungsfehler, was die Dringlichkeit der Situation unterstreicht.

Verfahren zur Meldung und Aufklärung

Der Vorstandschef des Medizinischen Dienstes, Stefan Gronemeyer, fordert ein verpflichtendes Meldesystem für solche Vorfälle, da es gegenwärtig keine standardisierte Vorgehensweise gibt. Der aktuelle Prozess ist rudimentär: Patienten, die glauben, dass ihnen ein Fehler unterlaufen ist, müssen sich an ihre Krankenkasse wenden, die dann den Medizinischen Dienst beauftragt, um den Fall zu prüfen. Nur so gelangen die Vorfälle in die Statistik. Dies führt dazu, dass viele Fälle von Behandlungsfehlern nicht erfasst werden.

Statistisch hatten Experten im Jahr 2023 in fast 12.500 Fällen eine Untersuchung eingeleitet. In 71,1 Prozent der Fälle konnte allerdings kein Fehlverhalten des medizinischen Personals nachgewiesen werden. In etwa 21,5 Prozent der Fälle, was 2.679 Behandlungsfehler entspricht, erlitten Patienten jedoch nachweislich Schaden. Diese Zahlen sind alarmierend, zumal sie sich über einen langen Zeitraum hinweg kaum verändert haben.

Folgen der Behandlungsfehler

Die Auswirkungen solcher Fehler können verheerend sein. Während in den meisten Fällen (65,5 Prozent) die Schäden lediglich vorübergehend sind, erleiden etwa 29,7 Prozent der betroffenen Patienten dauerhafte Beeinträchtigungen. Der Medizinische Dienst stellte fest, dass 180 der fehlerbedingten Dauerschäden im letzten Jahr als schwer eingestuft wurden, was bedeutet, dass Patienten beispielsweise pflegebedürftig, blind oder gelähmt sind. Experten schätzen, dass in einem Prozent aller stationären Behandlungen vermeidbare Schäden auftreten, wobei jährlich ca. 17.000 vermeidbare Todesfälle in deutschen Krankenhäusern angenommen werden.

Einen weiteren besorgniserregenden Aspekt bilden die Dunkelzahlen von Behandlungsfehlern, die wahrscheinlich viel höher sind als registriert. Um aus diesen Vorfällen zu lernen und Fehler zu vermeiden, fordert der Medizinische Dienst ein systematisches Monitoring und eine pseudonymisierte Meldepflicht.

Die Kritik an der aktuellen Fehlermanagementkultur im deutschen Gesundheitswesen wird zunehmend lauter. Eugen Brysch, der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, äußerte, dass Patienten in Deutschland oft im Stich gelassen würden. Die geforderte Fehlerkultur finde nicht statt, was zu einer unzureichenden Aufarbeitung der Vorfälle führe.

Auf zunehmende Forderungen nach einem Härtefallfonds ist die Bundesregierung jedoch noch nicht nachhaltig eingegangen. Brysch betonte, dass es nicht hinnehmbar sei, dass Geschädigte oft jahrelang auf ihre Entschädigung warten müssen. Das Bundesgesundheitsministerium gab an, dass Behandlungsfehler in Kliniken und Praxen bereits gesetzlich erfasst werden müssen, jedoch sind noch viele Fragen offen, wie ein möglicher Härtefallfonds ausgestaltet werden kann.

Ein Aufruf zur Verbesserung der Patientensicherheit

Die Berichte über Behandlungsfehler in Deutschland werfen ein dringendes Licht auf die Notwendigkeit von Reformen im Gesundheitswesen. Während das System für den Umgang mit Behandlungsfehlern besteht, ist es evident, dass Verbesserungen in der Transparenz und im Fehlermanagement erforderlich sind, um eine höhere Patientensicherheit zu gewährleisten. Es bleibt zu hoffen, dass durch intensivere Diskussionen und Maßnahmen bald positive Änderungen erfolgen werden, die das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die medizinische Versorgung stärken.

Im Gesundheitswesen stellen Behandlungsfehler ein gravierendes Problem dar, das nicht nur das Vertrauen der Patienten in medizinische Einrichtungen beeinträchtigt, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Folgen hat. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass die Behandlung von Komplikationen, die durch Behandlungsfehler verursacht werden, zusätzliche Kosten für das Gesundheitssystem mit sich bringt. Diese können durch Aufwendungen für Folgemaßnahmen, Rehabilitation und eine möglicherweise verlängerte Krankenhausaufenthaltsdauer entstehen.

Laut einer Untersuchung der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2020 belaufen sich die geschätzten Kosten für vermeidbare Behandlungsfehler in deutschen Kliniken auf mehrere Milliarden Euro jährlich. Dabei wird eine erhebliche Anzahl von Patienten – etwa 12.000 bis 15.000 – jährlich durch Behandlungsfehler geschädigt. Die Erfassung und systematische Analyse dieser Fehler könnte dazu beitragen, die Gesamtqualität der medizinischen Versorgung in Deutschland zu verbessern.

Verbesserung der Sicherheitskultur im Gesundheitswesen

Um Behandlungsfehler zu vermeiden, wird weltweit eine Verbesserung der Sicherheitskultur in medizinischen Einrichtungen gefordert. In vielen Ländern, wie zum Beispiel den USA und Großbritannien, sind Melde- und Fehlermanagementsysteme bereits etabliert, die darauf abzielen, aus Fehlern zu lernen und diese in Zukunft zu vermeiden. Die Umsetzung solcher Systeme könnte dazu beitragen, die Zahl der „Never Events“ in Deutschland deutlich zu senken.

Das Bundesgesundheitsministerium hat zwar betont, dass Fehlermeldesysteme implementiert werden müssen, jedoch bleibt die praktische Umsetzung oftmals hinter den Erwartungen zurück. Experten wie Gronemeyer und Brysch fordern daher nicht nur eine bessere Dokumentation, sondern auch Schulungen für das medizinische Personal und eine offenere Fehlerkultur, um Vertrauen in die Behandlung zu fördern.

Gesetzgeberische Initiativen und Reformen

Der Gesetzgeber steht unter Druck, konkrete Reformen zur Reduzierung von Behandlungsfehlern einzuführen. In anderen europäischen Ländern, wie den Niederlanden, wurden bereits gesetzliche Regelungen eingeführt, die eine umfassende Fehlerberichterstattung und -analyse vorschreiben. Diese Regelungen haben dort zu einer signifikanten Senkung der Fehlerquote geführt.

Um solche Fortschritte auch in Deutschland zu erreichen, ist es notwendig, die bestehenden Strukturen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Der Druck von Patientenorganisationen und Fachleuten im Gesundheitswesen könnte dazu führen, dass baldigere Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit auf den politischen Tisch kommen.

Insgesamt zeigt die aktuelle Diskussion über Behandlungsfehler, wie wichtig es ist, diese Thematik ernst zu nehmen und in die breite gesellschaftliche Debatte einzubringen. Nur so kann das Vertrauen der Patienten in die medizinische Versorgung langfristig wiederhergestellt und gestärkt werden.

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