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Gemeinsam für Gerechtigkeit: Ein Zukunftsansatz für reproduktive Rechte

Im Superwahljahr 2024 warnen Experten in Berlin vor den Gefahren der wachsenden Anti-Gender-Bewegung, deren möglicher Erfolg die weltweiten Fortschritte in der sexuellen und reproduktiven Gesundheit gefährden könnte, und fordern eine starke Zusammenarbeit für reproduktive Gerechtigkeit, um die Selbstbestimmung und Gesundheitsversorgung für Millionen zu schützen.

Berlin (ots)

In einem Jahr, das als Superwahljahr 2024 bezeichnet wird, haben die bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen das Potenzial, weitreichende Auswirkungen zu entfalten. Insbesondere ein Sieg der Republikaner könnte der globalen Anti-Gender-Bewegung neuen Auftrieb verleihen. Dies könnte den Fortschritt in Bereichen wie Selbstbestimmung und Gesundheitsversorgung für Millionen Menschen ernsthaft gefährden. Ein aktuelles Diskussionspapier des Berlin-Instituts wirft einen kritischen Blick auf die Entwicklungen der letzten drei Jahrzehnte und analysiert, wie sich die Anti-Gender-Bewegung auf diese Fortschritte auswirkt.

In den letzten 30 Jahren haben sich bedeutende Fortschritte in der sexuellen und reproduktiven Gesundheit vollzogen. So sind beispielsweise die Geburtenraten bei 15- bis 19-jährigen Mädchen weltweit um die Hälfte gesunken, und über 60 Länder haben ihre Abtreibungsgesetze liberalisiert. Trotz dieser positiven Tendenzen sind die Herausforderungen nach wie vor enorm. Die Selbstbestimmung für alle Menschen, insbesondere in Krisenzeiten, steht nicht nur auf dem Spiel, sondern erfährt durch den Einfluss von rechtspopulistischen Akteuren auch einen Rückschlag.

Der Einfluss der Anti-Gender-Bewegung

Die gut finanzierte und international vernetzte Anti-Gender-Bewegung hat sich in den letzten Jahren als bedrohlich erwiesen. Diese Bewegung führt an vielen Orten erfolgreiche Lobbyarbeit gegen wichtige Themen wie die Rechte von LSBTIQ*-Personen, Abtreibung und umfassende Sexualaufklärung. Damit wird der Zugang zu reproduktiven Rechten und der Selbstbestimmung zunehmend gefährdet. Die Bewegung ruft zur Abwehr an und setzt sich für rückschrittliche Politiken ein, was für viele Menschen weltweit schwerwiegende Folgen haben kann.

Um den erschreckenden Entwicklungen entgegenzuwirken, ist es unerlässlich, dass eine Perspektive für eine gerechtere Zukunft formuliert wird. Ein zentraler Ansatz hierbei ist die reproduktive Gerechtigkeit, die 1994 von Schwarzen Feministinnen in den USA entwickelt wurde. Dieser umfassende Ansatz zielt darauf ab, alle Barrieren, die sexuellen und reproduktiven Rechten entgegenstehen, zu beseitigen. Dazu gehört eine enge Zusammenarbeit zwischen Regierungen, internationalen Institutionen und zivilgesellschaftlichen Akteuren.

Reproduktive Gerechtigkeit als Lösungsansatz

Die Idee der reproduktiven Gerechtigkeit bietet eine positive Vision für die Zukunft und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Sie erfordert eine integrierte Strategie, die verschiedene Politikfelder miteinander verknüpft, einschließlich Gesundheit, Migration und Klima. „Die Ziele der deutschen Bundesregierung für eine feministische Entwicklungspolitik sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, sagt die Studienautorin Colette Rose. „Diese Ziele sollten unbedingt weiterverfolgt werden.“ Diese Perspektive muss stark gefördert werden, um echten Wandel herbeizuführen und den Druck von außen zu widerstehen.

Es wird klar, dass die grundlegenden Herausforderungen, denen die Menschheit gegenübersteht, nicht isoliert betrachtet werden können. Die Verbindung von Gesundheits-, sozialen und politischen Themen ist entscheidend, um reproduktive Rechte zu stärken und darüber hinaus eine gerechtere Gesellschaft zu fördern. Es benötigt ein kollektives Engagement aller Beteiligten, um die Errungenschaften der letzten drei Jahrzehnte nicht nur zu bewahren, sondern auch weiter auszubauen.

Die Diskussion über reproduktive Gerechtigkeit und den Einfluss der Anti-Gender-Bewegung findet gegen einen globalen Hintergrund statt, der immer komplexer wird. Der Austausch von Ideen, das Lernen aus Erfahrungen in verschiedenen Ländern und ein starkes Bekenntnis zu Menschenrechten sind unerlässlich, um die erkämpften Rechte und Freiheiten zu schützen und weiterzuentwickeln.

Auswirkungen der Anti-Gender-Bewegung

Die Anti-Gender-Bewegung hat in den letzten Jahren weltweit an Einfluss gewonnen. Sie ist nicht nur in den USA aktiv, sondern auch in Europa, Lateinamerika und dem globalen Süden. Diese Bewegung zielt darauf ab, zurück zu konservativen Geschlechterrollen zu kehren und die Fortschritte im Bereich der reproduktiven Rechte zu untergraben. Ein Beispiel hierfür ist die stetige Zunahme von Gesetzesinitiativen, die Abtreibungen einschränken oder die Rechte von LGBT-Personen verletzen. Die Mobilisierung in sozialen Medien hat es diesen Akteur:innen ermöglicht, ihre Botschaften schnell und effektiv zu verbreiten, was zu einem Anstieg von anti-progressiven Bewegungen geführt hat.

In mehreren europäischen Ländern, darunter Polen und Ungarn, hat die politische Rhetorik der Anti-Gender-Bewegung bereits zu konkreten rechtlichen Veränderungen geführt. In Polen beispielsweise wurde 2020 das Abtreibungsrecht drastisch verschärft, was weitreichende Proteste zur Folge hatte. Solche Entwicklungen zeigen, dass die politische Landschaft sich verändern kann, wenn populistische Kräfte an die Macht kommen. Dies könnte auch für die kommenden Wahlen in den USA eine ernsthafte Warnung darstellen.

Der Zustand der reproduktiven Rechte weltweit

Obwohl es in den letzten Jahrzehnten Fortschritte bei den reproduktiven Rechten gegeben hat, ist der internationale Zustand nach wie vor besorgniserregend. Laut dem Bericht „State of World Population 2022“ des UN-Bevölkerungsfonds haben rund 900 Millionen Frauen weltweit keinen Zugang zu modernen Verhütungsmethoden, was sie in ihrer Selbstbestimmung stark einschränkt. In vielen Ländern, besonders in Entwicklungsländern, sind dieser Mangel an Zugang und die Stigmatisierung reproduktiver Entscheidungen häufig das Resultat tief verwurzelter patriarchaler Strukturen und traditioneller Geschlechterrollen.

Darüber hinaus zeigen Statistiken, dass in vielen Regionen nach wie vor hohe Raten von ungewollten Schwangerschaften und damit verbundenen Komplikationen bestehen. Dies führt nicht nur zu gesundheitlichen Risiken, sondern auch zu wirtschaftlichen und sozialen Belastungen für die betroffenen Frauen und ihre Familien. Der Zugang zu sexualer und reproduktiver Gesundheitsversorgung ist somit nicht nur eine Frage der Gesundheit, sondern auch der gesellschaftlichen Gerechtigkeit.

Schlussfolgerung

Die kommenden politischen Wahlen und die stetig wachsende Einflussnahme der Anti-Gender-Bewegung stellen große Herausforderungen dar. Es ist entscheidend, dass Fortschritte in der sexuellen und reproduktiven Gesundheit nicht nur verteidigt, sondern auch aktiv gefördert werden. Die Implementierung des Ansatzes der reproduktiven Gerechtigkeit könnte eine Schlüsselrolle spielen, um Barrieren abzubauen und eine gerechtere Gesellschaft für alle zu schaffen. Dies erfordert anhaltende internationale Zusammenarbeit sowie Engagement auf allen Ebenen der Gesellschaft.

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