Die Schifffahrt in Deutschland sieht sich momentan mit ernsten Herausforderungen konfrontiert. Nach der erfreulichen Nachricht über die Rettung der traditionsreichen Meyer Werft in Papenburg, mussten nur einen Tag später ernüchternde Nachrichten aus Stralsund vernommen werden. Die Fosen Werft, ein wichtiger Akteur im Shipbuilding, hat Insolvenz angemeldet und die betroffenen Mitarbeiter stehen vor ungewissen Zeiten.
Die Meyer Werft hatte kürzlich einen zweiten Atemzug erhalten. Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete am 22. August, dass das Unternehmen durch eine vorübergehende Verstaatlichung unterstützt wird, um sich bis 2027 stabilisieren zu können und wieder eigenständig zu werden. Für die 18.000 Beschäftigten in der Meyer Werft war diese Nachricht eine große Erleichterung, die jedoch schnell von der traurigen Realität der Fosen Werft in Stralsund überschattet wurde.
Insolvenzantrag der Fosen Werft
Die Fosen Werft GmbH und ihre Tochtergesellschaft in Stralsund haben am 22. August, nur einen Tag nach der Meyer Werft-Rettung, den Insolvenzantrag gestellt. Dies wurde von verschiedenen Medien, darunter die Wirtschaftswoche und der NDR, zeitnah gemeldet. Der vorläufige Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt Biner Bähr von der Kanzlei White & Case, wurde bereits eingesetzt. Die Stadt Stralsund kündigte zudem den Pachtvertrag für das Gelände der ehemaligen Volkswerft, was die ohnehin angespannte Lage noch weiter verschärft.
Die Gründe für diese drastischen Entscheidungen sind vielfach. Laut der Stadtverwaltung gelang es der Fosen Werft nicht, die notwendigen Aufträge im Schiff- und Stahlbau zu gewinnen oder die erhoffte Anzahl von Arbeitsplätzen zu schaffen. Dies verstärkt die Unsicherheit für die betroffenen Arbeitnehmer, die nun um ihre Zukunft fürchten müssen.
Die Geschichte der Fosen Werft
Die Fosen Werft ist ein renommiertes Unternehmen, das bereits seit 1918 auf dem Markt ist. Die Muttergesellschaft war Anfang des Jahres in Norwegen insolvent gegangen, doch die deutschen Standorte blieben zunächst verschont. Die jüngsten Entwicklungen zeugen jedoch von den Schwierigkeiten der gesamten Branche, die durch verschiedene externe und interne Faktoren beeinträchtigt wird.
Ein positiver Aspekt ist jedoch, dass es möglicherweise Interessenten gibt, die erwägen, die Fosen Werft nach der Insolvenz zu übernehmen. Das Stralsunder Unternehmen Strela Shiprepair Yard hat bereits signalisiert, dass es die Chance nutzen möchte, die durch den Weggang der Fosen Werft entstandene Lücke zu schließen.
Ein weiterer Punkt von Interesse ist, dass die Fosen Werft in der Vergangenheit an bekannten Projekten, wie der Sanierung des historischen Segelschulschiffs Gorch Fock 1, gearbeitet hat. Diese Arbeiten wurden von der EU sowie von Bund und Land Mecklenburg-Vorpommern mit über zehn Millionen Euro gefördert. Die Gorch Fock 1 gilt als Wahrzeichen der Stadt Stralsund und ihre Restaurierung war ein bedeutendes Projekt in der Region.
Die aktuelle Situation ist für alle Beteiligten schwer zu ertragen. Wie die IG Metall betont, stellt die Insolvenz der Fosen Werft einen „Schlag ins Gesicht“ für alle Beschäftigten im Schiffbau dar. Angesichts der Unterstützung, die die Meyer Werft erhalten hat, stellt sich die Frage nach der Gleichbehandlung in der Branche und den Perspektiven anderer Werften, die ebenfalls in Schwierigkeiten stecken.
Die Zukunft des Schiffbaus in Deutschland
Die Nachrichten über die Meyer Werft und die Fosen Werft verdeutlichen, wie fragil die Lage in der Schiffbaubranche ist. Die Rettungsversuche für traditionsreiche Unternehmen stehen im Kontrast zu den Herausforderungen, vor denen andere Firmen stehen. Es bleibt abzuwarten, welche Maßnahmen ergriffen werden, um die Branche als Ganzes zu stabilisieren und um sicherzustellen, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben.
Die Situation im deutschen Schiffbau ist besonders angespannt, da mehrere Werften aufgrund wirtschaftlicher Herausforderungen in die Krise geraten sind. Die Meyer Werft konnte mit Hilfe des Staates vorerst gerettet werden, während die Fosen Werft in Stralsund die Insolvenz anmelden musste. Diese Entwicklungen sind nicht isoliert, sondern Teil eines größeren Trends, der in den letzten Jahren in der europäischen Schiffbauindustrie zu beobachten ist.
Insgesamt stehen viele Werften in Europa unter Druck. Die steigenden Rohstoffpreise, gestörte Lieferketten und der Mangel an Fachkräften haben die Branche stark belastet. Laut einem Bericht des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) haben in Deutschland seit 2015 zahlreiche Werften geschlossen oder ihre Produktion reduziert. Die Überkapazitäten bei den Schiffsbauunternehmen, kombiniert mit sinkenden Aufträgen, haben zu einem drastischen Rückgang in der Branche geführt und sorgen für eine unsichere Zukunft vieler Beschäftigter.
Kritische wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Zusätzlich wird die wirtschaftliche Lage durch die weltweiten Lieferengpässe, die durch die COVID-19-Pandemie ausgelöst wurden, verstärkt. Viele Unternehmen kämpfen mit Materialengpässen, was zu Verzögerungen bei der Produktion führt. Dies konnten auch Werften wie die Meyer Werft, die große Aufträge aus dem Bereich der Kreuzfahrtschiffe annehmen, nicht ignorieren. Die Indikatoren für die Branche waren vor der Ansage von Bundeskanzler Scholz bereits besorgniserregend, da viele Aufträge aufgrund der gesunkenen Nachfrage storniert wurden.
Um dieser Krise entgegenzuwirken, wird diskutiert, wie die deutschen Werften die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Markt steigern können. Initiativen, um die Digitalisierung im Schiffsbau voranzutreiben und nachhaltige Technologien zu implementieren, werden als Schlüssel hervorgehoben, um die Zukunft des Schiffbaus in Deutschland zu sichern. Die Förderung von Investitionen in innovative Projekte könnte helfen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und die bestehenden Arbeitsplätze zu sichern.
Aktuelle Statistiken zur Schiffsindustrie
Statistiken zur Schiffsindustrie belegen die Herausforderungen und Chancen in dieser Branche. Laut Daten des VSM betrug die Gesamtproduktion im deutschen Schiffbau im Jahr 2022 nur etwa 1,7 Milliarden Euro, was einen Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren darstellt. Die Zahl der Beschäftigten sank ebenfalls um 5% im Vergleich zu 2021. Darüber hinaus zeigt eine Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dass 40% der Schiffbauunternehmen von einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage ausgehen.
Die Notwendigkeit einer staatlichen Unterstützung wird durch die Daten hervorgehoben. Viele Unternehmen konnten nicht die notwendige Liquidität erhalten, um die laufenden Kosten zu decken. Daher ist die Diskussion um die Zukunft des Schiffbaus in Deutschland sowohl eine wirtschaftliche als auch eine soziale Herausforderung, die in den kommenden Monaten und Jahren an Bedeutung gewinnen wird. Die Bundespolitik steht in der Verantwortung, Konzepte zu entwickeln, die den Sektor langfristig stabilisieren und ermöglichen, dass Deutschland weiterhin eine Schlüsselrolle in der europäischen Schiffsindustrie spielt.