Die Bildungssituation von Kindern mit Migrationshintergrund in Deutschland ist alarmierend. Ein neuer Bildungsmonitor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) offenbart gravierende Defizite, insbesondere bei den Zuwandererkindern der ersten Generation. Ahmed Mansour, ein Integrationsexperte, hebt hervor, wie wichtig es ist, die Schulbildung und Integration dieser Kinder zu fördern, um Radikalisierungstendenzen in der Gesellschaft entgegenzuwirken.
Laut dem Bildungsmonitor haben rund 40 Prozent der Kinder unter 15 Jahren einen Migrationshintergrund. Diese Zuwanderung zeigt ein enormen Potenzial für die deutsche Wirtschaft, vor allem im Hinblick auf den demografischen Wandel. Dennoch scheitert Deutschland nach wie vor daran, diese Kinder effektiv zu integrieren. Die Pisa-Studie hat aufgedeckt, dass 64 Prozent der Zuwandererkinder im Alter von 15 Jahren zur Risikogruppe in Fächern wie Deutsch und Mathematik gehören. Dies bedeutet, dass sie nicht ausreichend qualifiziert sind, um den Herausforderungen im schulischen und später im beruflichen Umfeld gewachsen zu sein.
Herausforderungen der Integration
Die Hauptursache für diese Probleme sind nicht die Kinder selbst, sondern oft die fehlenden Deutschkenntnisse ihrer Eltern sowie deren Bildungsferne. Dies wirkt sich negativ auf die Chancen der Kinder im Bildungssystem aus. Thorsten Alsleben, Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, betont, dass nicht die Zuwanderung das Problem darstellt, sondern die unzureichende Unterstützung von bildungsfernen Familien.
Ein grundlegender Ansatz zur Verbesserung der Bildungssituation ist die frühkindliche Bildung. Mansour schlägt vor, verbindliche Sprachtests für Kinder ab vier Jahren einzuführen, gekoppelt mit einer Kita-Pflicht für jene, die Sprachdefizite aufweisen. Er ist überzeugt, dass gezielte Investitionen in die frühkindliche Bildung langfristig nicht nur den einzelnen Kindern helfen, sondern auch der gesamten Gesellschaft zugutekommen und zum Erhalt des Wohlstands beitragen können.
Besonders besorgniserregend ist, dass der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund in Kindertagesstätten von 85 Prozent im Jahr 2013 auf 78 Prozent im Jahr 2022 gesunken ist. Währenddessen liegen die Besuchszahlen bei Kindern ohne Migrationshintergrund bei 100 Prozent. Die Bildungschancen derjenigen, die in sozialen Brennpunkten leben, sind erheblich eingeschränkt, da in den Schulen, die die sozial schwächsten Schüler bedienen, 63 Prozent aller Risikoschüler konzentriert sind.
Forderungen nach umfassenden Reformen
Die Studie befürwortet große Investitionen in Schulen mit einem hohen Anteil an benachteiligten Schülern, wie es das neue Startchancenprogramm vorsieht. Eine Modellrechnung hat gezeigt, dass der Staat durch investieren von 20 Milliarden Euro langfristig positive Effekte zwischen 56 und 113 Milliarden Euro erzielen kann, etwa aufgrund höherer Steuereinnahmen und geringerer Transferleistungen durch besser qualifizierte Jugendliche.
Mansour drängt zudem auf eine Durchmischung der Schüler an Schulen, um die Bildungsbenachteiligung zu überwinden. Er fordert ein Konzept, dass „Bussing“ ermöglicht, also die gezielte Verteilung von Kindern auf Schulen, um soziale Segregation zu verhindern. „Wir müssen alles tun, damit es nicht zu einer Gettoisierung im Bildungssystem kommt“, betont er eindringlich.
Ein weiterer Aspekt ist die Sprachförderung ab dem dritten Lebensjahr, die nicht nur für Migrantenfamilien, sondern auch für deutsche Familien entscheidend ist. Oft fehlt es auch dort an ausreichender Kommunikation, was die Sprachkompetenz der Kinder negativ beeinträchtigt.
Ein Blick auf die Bildungslandschaft in den Bundesländern zeigt erhebliche Unterschiede. Sachsen und Bayern führen weiterhin das Ranking an, während Berlin den größten Fortschritt gemacht hat, obwohl es weiterhin unterdurchschnittliche Ergebnisse in Schulfächern wie Deutsch und Mathematik aufweist. Berlin habe sich jedoch in der Qualität der Betreuungsangebote und der Ganztagsbetreuung verbessert, was positiv gewertet wird.