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Junge Pflegende: Unsichtbare Helden im deutschen Pflegesystem

In ihrem Leitartikel beschreibt Carlotta Richter in der "Berliner Morgenpost" die oft übersehene, aber unverzichtbare Rolle von circa einer halben Million pflegenden Kindern und Jugendlichen in Deutschland, die trotz ihrer großen Verantwortung in einer belastenden Gesellschaft kaum Unterstützung und Sichtbarkeit erfahren – ein Aufruf für mehr Anerkennung und Hilfsangebote in einem maroden Pflegesystem.

Die unsichtbaren Helden der Pflege

Berlin (ots)

In Deutschland gibt es eine bedeutende, aber oft übersahene Gruppe von Pflegekräften: Jugendliche und junge Erwachsene. Anders als das weit verbreitete Bild von pflegenden Angehörigen – oft mittleren Alters, wie zum Beispiel Mütter, die sich um kranke Eltern kümmern – sind es zahlreiche Heranwachsende, die sowohl Schulpflichtige als auch Studierende sind, die zusätzlich zu ihrem eigenen Alltag Verantwortung für die Pflege von Angehörigen übernehmen. Schätzungen zufolge pflegen etwa 500.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland Verwandte.

Die belastende Realität junger Pflegender

Die Herausforderungen, die junge Pflegende bewältigen, sind enorm. Sie übernehmen häufig Aufgaben, die für ihre Altersgruppe untypisch sind. Während Gleichaltrige das Studentenleben genießen, Freundschaften pflegen oder Reisen unternehmen, managen sie unter anderem die Medikamentenvergabe und die Haushaltsführung. Dies führt oft zu einem Gefühl von Isolation und unzureichender Unterstützung. Über die eigene Situation möchten sie aus Angst vor Stigmatisierung oft nicht sprechen, was die Unsichtbarkeit ihrer Rolle noch verstärkt.

Die Notwendigkeit von Unterstützung und Sichtbarkeit

Die Tatsache, dass junge Menschen tatkräftig zur Pflege beitragen, muss anerkannt werden. Besonders im Hinblick auf die Prognosen, dass bis 2055 die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland auf 6,8 Millionen steigen könnte, ist die Rolle der pflegenden Angehörigen von entscheidender Bedeutung. Aktuell erhalten etwa fünf Millionen Menschen in Deutschland Pflege, wovon der Großteil zuhause versorgt wird. Ohne die Unterstützung von Angehörigen könnte das gesamte System zusammenbrechen.

Unzureichende Angebote für junge Pflegekräfte

Trotz der drängenden Situation existiert bislang nur wenig Unterstützung für diese Gruppe. Während studierende Eltern oft von zahlreichen Hilfsangeboten profitieren, fallen pflegende Studierende durchs Raster. Nur etwa zwölf Prozent der Studierenden haben Pflegeverantwortung, doch das Bewusstsein für ihre speziellen Bedürfnisse ist begrenzt. Eine verbesserte Sensibilisierung an Schulen und Hochschulen sowie niedrigschwellige Angebote zur Unterstützung sind daher unabdingbar.

Ein Aufruf zur Anerkennung und Unterstützung

Die Pflege von Angehörigen ist eine Leistung, die nicht als selbstverständlich angesehen werden sollte. Junge Pflegende verdienen Anerkennung und Unterstützung, sowohl durch die Gesellschaft als auch durch die Politik. Für eine umfassende Diskussion über den Pflegenotstand sollten ihre Belange mit in Betracht gezogen werden. Es ist an der Zeit, dass die gesamte Pflegegemeinschaft sichtbarer wird und die Stimmen der jungen Pflegekräfte gehört werden.

NAG

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