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Karlsruhe weist Beschwerde gegen antijüdische Skulptur in Wittenberg ab

Das Bundesverfassungsgericht hat am Montag die Verfassungsbeschwerde des jüdischen Klägers Michael Düllmann zur umstrittenen antijüdischen Skulptur „Judensau“ an der Wittenberger Stadtkirche abgewiesen, was die Debatte über die Geschichte und Bedeutung solcher Darstellungen in Europa weiter anheizt.

Ein bedeutender Rechtsstreit, der seit Jahren in Deutschland für Aufsehen sorgt, hat eine neue Wendung genommen. Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich entschieden, die Verfassungsbeschwerde bezüglich einer antijüdischen Skulptur an der Wittenberger Stadtkirche nicht anzunehmen. Diese Entscheidung hat eine Welle von Reaktionen ausgelöst und wirft Fragen über den Umgang mit historischen Kunstwerken auf, die mit antisemitischen Darstellungen verbunden sind.

Nach Aussage von Jonas Heimbach, einem Sprecher des Gerichts, hat die zuständige Kammer die Entscheidung getroffen, ohne eine detaillierte Begründung abzugeben, wie es das Bundesverfassungsgerichtsgesetz vorsieht. Dies hat zu Spekulationen darüber geführt, was hinter dieser Entscheidung stehen könnte und wie sie den weiteren Verlauf des Rechtsstreits beeinflussen wird.

Die Hintergründe der Skulptur

Die betreffende Skulptur, bekannt als „Judensau“, stammt aus dem 13. Jahrhundert und befindet sich in etwa vier Metern Höhe an der Fassade der Stadtkirche. Sie zeigt eine karikierte Figur eines Rabbis, die einen Schweinschwanz anhebt und damit ein Tier betrachtet, das im Judentum als unrein gilt. Begleitet wird diese Figur von zwei weiteren als Juden dargestellten Figuren, die an den Zitzen einer Sau saugen, während eine vierte Figur versucht, Ferkel von der Mutter abzugrenzen. Diese Darstellungen sind nicht nur bizarre Kunstwerke, sie sind auch schwerwiegende Beleidigungen und verletzen die Würde des Judentums.

Michael Düllmann, der seit 2018 gegen die Skulptur kämpft, sieht sich durch diese Darstellung in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Er empfindet die Skulptur als beleidigend und hat immer wieder gefordert, dass sie entfernt wird. Sein Kampf ist nicht nur persönlich, sondern symbolisiert auch einen größeren Konflikt über die Frage, wie mit historischen Kunstwerken umzugehen ist, die heute als anstößig gelten.

Ein entscheidender Punkt in diesem Rechtsstreit war das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Juni 2022, der entschied, dass die Skulptur an ihrem Standort belassen werden kann. Der BGH argumentierte, dass eine zusätzliche Bodenplatte und ein Schrägaufsteller, die unterhalb des Reliefs angebracht wurden, dazu führen, dass das, was als „Schandmal“ betrachtet wurde, in ein Mahnmal umgewandelt wurde. Dies wirft einige grundlegende Fragen zur Gültigkeit und den Standards solcher Umgestaltungen auf.

Der Weg zum Europäischen Gerichtshof

Sollte Düllmann mit seinem Anliegen in Karlsruhe weiterhin auf Widerstand stoßen, plant er, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu ziehen. Sein Anwalt, Christian Kirchberg, bestätigte dies in einem Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“. Düllmann ist entschlossen, die rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine Entfernung dieser Darstellung zu erreichen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat somit auch das Potenzial, weitere rechtliche Entwicklungen auf internationaler Ebene zu beeinflussen.

Der Streit um die „Judensau“ hat zudem grundsätzliche Bedeutung, da in Europa schätzungsweise 50 ähnliche Darstellungen an Kirchen existieren. Dies wirft die Frage auf, wie weit historische Auseinandersetzungen und antisemitische Darstellungen in der Kunstgesellschaft akzeptiert werden und ob moderne Werte der Menschenwürde und des Respekts vor der Kultur der anderen in solch einem Kontext hinreichend berücksichtigt werden.

Es bleibt abzuwarten, wie der Fall weiter verhandelt wird und welche Auswirkungen er auf zukünftige rechtliche Fragen im Zusammenhang mit historischen Kunstwerken haben könnte. Der Diskurs über kulturelles Erbe und die Verantwortung gegenüber der Geschichte ist dringender denn je und könnte beispiellose Veränderungen in der Art und Weise herbeiführen, wie wir mit der Vergangenheit umgehen.

Die Herausforderungen des kulturellen Erbes

Die Debatte über die „Judensau“ beleuchtet nicht nur die rechtlichen Aspekte, sondern auch die ethischen Fragestellungen, die mit kulturellem Erbe verbunden sind. Wie lässt sich Kunst von ihrer historischen Last befreien? In einem Europa, das durch die Geschichte geprägt ist, sind solche Fragen nicht nur akademisch, sondern berühren das Herzstück unserer Gesellschaft und unseres Miteinanders.

Der Kontext der Debatte um die Skulptur

Die Skulptur der „Judensau“ an der Wittenberger Stadtkirche ist mehr als nur ein Kunstwerk; sie ist ein Symbol eines Jahrhunderte alten Antisemitismus, der in Europa immer wieder aufplatzt. In einem historischen Kontext ist es wichtig, sich der wachsenden antisemitischen Strömungen bewusst zu sein, die sich in den letzten Jahren in verschiedenen Formen zeigen – sei es in Form von Beleidigungen, Gewalt oder der Verbreitung von antisemitischen Verschwörungstheorien.

Antisemitismus ist nicht nur ein deutsches Phänomen, sondern ein europaweites Problem, das tief in den gesellschaftlichen Strukturen verankert ist. Oftmals sind solche Darstellungen wie die „Judensau“ nicht isoliert, sondern Teil eines größeren Diskurses über Zugehörigkeit und Identität. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Klage abzulehnen, wirft Fragen darüber auf, wie die Gesellschaft mit ihrer eigenen Geschichte umgeht und welche Rolle Kunst in der Reflexion über diese Geschichte spielt.

Wahrnehmung und Auswirkungen auf die jüdische Gemeinschaft

Die Wunden des Holocausts und die langfristigen Auswirkungen des Antisemitismus sind keine Vergangenheit, sondern beeinflussen das tägliche Leben vieler jüdischer Menschen in Deutschland und Europa. Für viele ist die Existenz solcher Skulpturen schmerzhafte Erinnerung an die Diskriminierung und Verfolgung, während andere die Meinungsfreiheit und das kulturelle Erbe in den Vordergrund stellen. Der Balanceakt zwischen historischer Erhaltung und einem respektvollen Umgang mit der Vergangenheit ist eine ständig anwachsende Herausforderung.

Die jüdische Gemeinschaft hat auf die Kontroverse um die „Judensau“ mit Warnungen vor der Normalisierung von Antisemitismus reagiert. Das Tragen des Erbes solcher Darstellungen kann als eine Art der Legitimierung von Vorurteilen interpretiert werden, was gerade in einem Klima, in dem antisemitische Angriffe zunehmen, alarmierend erscheint. Die Umstände rund um die Skulptur sind damit nicht nur rechtliche, sondern auch kulturelle und soziale Fragen, die weitreichende Implikationen für das Zusammenleben in der Gesellschaft haben.

Aktuelle Umfragen zur gesellschaftlichen Wahrnehmung von Antisemitismus

Aktuelle Umfragen zeigen, dass ein signifikanter Teil der deutschen Bevölkerung sich der Problematik des Antisemitismus bewusst ist, aber dennoch ambivalente Meinungen hierzu hat. Eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2021 ergab, dass etwa 30 Prozent der Befragten antisemitische Stereotypen als weit verbreitet ansehen, während 25 Prozent der Befragten angeben, dass sie persönlich noch nie Antisemitismus erlebt haben.

Die Ergebnisse dieser Umfragen unterstreichen die Notwendigkeit für Bildung und Aufklärung, um antisemitische Haltungen in der Gesellschaft zu bekämpfen. Die Bildungsmaterialien zu solchen historischen Darstellungen könnten ein wichtiger Teil des Prozesses sein, um das Verständnis für die damit verbundenen Sensibilitäten zu fördern.

Schutzmaßnahmen und gesetzliche Rahmenbedingungen

In Deutschland sind antisemitische Äußerungen und Handlungen durch verschiedene Gesetze und Menschenrechtsabkommen geschützt. Das Grundgesetz garantiert eine umfassende Meinungsfreiheit, jedoch ist dieser Schutz nicht ohne Grenzen; insbesondere, wenn es um hateful speech und Diskriminierung geht. Der rechtliche Rahmen umfasst sowohl das Strafgesetzbuch, das beleidigende Äußerungen unter Strafe stellt, als auch internationale Abkommen, die den Schutz der Menschenrechte vorangetrieben haben.

Künstler und Kulturschaffende sind oft gefordert, den schmalen Grat zwischen Kunstfreiheit und gesellschaftlicher Verantwortung auszuloten. Die anhaltende Debatte über die „Judensau“ an der Wittenberger Stadtkirche aktivierte nicht nur juristische Fragen, sondern sorgte auch für eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Verantwortung im Umgang mit geschichtlichen Darstellungen.

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