Die Entwidmung von Kirchen in Deutschland ist ein Thema, das immer mehr an Bedeutung gewinnt. Jüngstes Beispiel ist die Marienkirche in Hettstedt, Sachsen-Anhalt. Die katholische Pfarrei hat vor vier Jahren beschlossen, das seit über einem Jahrhundert bestehende Gotteshaus aufzugeben. Diese Entwicklung zeigt, wie sich die religiöse Landschaft und die Gemeindestrukturen in Deutschlands Bergbauregionen verändern.
Ein historisches Erbe in Gefahr
Die Marienkirche, auch bekannt als die „Unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria“, wurde 1892 errichtet und diente über 100 Jahren den Katholiken der Region als Ort der Versammlung. Die Pfarrei war besonders wichtig für die katholischen Einwanderer, die ab dem Ende des 19. Jahrhunderts aus Ländern wie Polen und Italien in die Bergbauregion kamen. „Die Kirche hat den Menschen in der Region ein Zuhause gegeben“, erklärt Meinolf Thorak von der Pfarrei St. Georg. Der Strukturwandel und die damit verbundene Abwanderung junger Menschen haben jedoch das Gemeindeleben stark beeinträchtigt.
Versteigerung als letzte Option
Da kein Käufer für das historische Gebäude gefunden werden konnte, beschlossen die Gemeindevertreter, das Gotteshaus und das angrenzende Pfarrhaus am 30. August öffentlich zu versteigern. Hierbei handelt es sich um ein Grundstück von rund 4.963 Quadratmetern mit einem Mindestgebot von 149.000 Euro. Interessenten haben die Möglichkeit, sich die Immobilie über die Sächsische Grundstücksauktionen AG in Leipzig anzusehen. Das Pfarrhaus wird nicht als Bestandteil der Gemeinde angeboten, sondern lediglich das leerstehende Gotteshaus.
Kulturelle Nutzung gefordert
Ein zentraler Aspekt für die neuen Käufer ist die Art der zukünftigen Nutzung. „Wir brauchen eine gute Idee“, so Thorak. Beispielsweise könnten kreative Konzepte wie eine Kultur- oder Kletterkirche erwogen werden. Andernfalls wird die Nutzung als Kneipe oder Bordell ausgeschlossen, was auf ein gewisses Maß an ethischen Vorgaben hinweist. Dieses Anliegen verdeutlicht die Verantwortung gegenüber dem kulturellen Erbe, das mit dem Gebäude verknüpft ist.
Ein Trend, der nicht zu stoppen ist
Die Versteigerung kirchlicher Gebäude ist nicht mehr außergewöhnlich. Andreas Blum von der Sächsischen Grundstücksauktionen AG bemerkt: „Früher galt es als unüblich, Kirchen zu verkaufen, aber die wirtschaftlichen Zwänge bringen die Kirchen dazu, sich von ihren Objekten zu trennen.“ Dies geschieht durchaus nicht nur in Hettstedt, sondern auch in anderen Teilen Deutschlands. Thomas Engel von der Westdeutschen Grundstücksauktionen AG erläutert, dass fast ausschließlich Privatpersonen Interesse an solchen Immobilien zeigen, wobei viele das architektonische Erbe schätzen.
Ein notwendiger Wandel für die Gemeinschaft
Die Geschichte der Marienkirche in Hettstedt spiegelt wider, wie sich die Rolle von Kirchen in der Gesellschaft transformiert. Sie ist nicht nur ein Gebäude, sondern ein Teil der kollektiven Identität und Geschichte einer Gemeinde. In einer Zeit, in der familiäre und gemeinschaftliche Strukturen im Wandel sind, könnte die Versteigerung und die zukünftige Nutzung dieser Kirche von großer Bedeutung für die regionale Entwicklung sein. Die Herausforderung besteht darin, das historische Erbe zu bewahren und gleichzeitig innovative Konzepte zu entwickeln, die den Bedürfnissen einer modernen Gesellschaft gerecht werden.