Die innovative Bestattungsmethode der Reerdigung sorgt für gemischte Reaktionen in der Gesellschaft. Während einige die ökologische Relevanz betonen, gibt es erhebliche Bedenken seitens traditioneller Bestattungsanbieter.
Nachhaltigkeit im Bestattungswesen
RENDSBURG taz | In Deutschland stehen die Bestattungspraktiken aktuell im Fokus einer kritischen Diskussion. Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Urnenbeisetzung, was zu einem Anstieg des CO2-Ausstoßes führt, da etwa 160 Krematorien im Land mehr Auslastung erleben. Eine alternative Methode, die sogenannte Reerdigung, wird nun in Schleswig-Holstein getestet und könnte eine bedeutende Veränderung im Bestattungswesen darstellen.
Die Reerdigung: Ein Pilotprojekt
In den Städten Kiel und Mölln stehen derzeit sieben Reerdigungs-Kokons, in denen die verstorbenen Personen auf Heu bettet liegen. In diesem speziellen Umfeld, in dem Wärme erzeugt wird, bringt der Zersetzungsprozess die Leichname innerhalb von 40 Tagen dazu, sich in Humuserde zu verwandeln. Lediglich die Knochen verbleiben, die anschließend zerkleinert und gemeinsam mit der Erde beigesetzt werden.
Kritik und Widerstand
Trotz dieser innovativen Ansätze gibt es bemerkenswerte Bedenken. Unterstützung erhält die Kritik von Rechtsmediziner Klaus Püschel, der in einer Fachzeitschrift das Verfahren als „Kompostierung“ bezeichnete und den Marketinginteressen des Berliner Unternehmens „Meine Erde“ vorwarf. Auch in der breiteren Öffentlichkeit wird die Verwendung des Begriffs „Kokon“ für die Behälter angeprangert.
Rechtliche Rahmenbedingungen und Reformen
Das Gesundheitsministerium in Kiel hat jedoch eine Ausnahmegenehmigung für die Reerdigung erteilt, welche seit Januar 2023 unter einer speziellen „Experimentierklausel“ steht. Ein gesetzlicher Rahmen könnte in naher Zukunft geschaffen werden, um eine breitere Akzeptanz dieser Methode zu ermöglichen.
Der Einfluss auf die Gesellschaft
Pablo Metz, Geschäftsführer von „Meine Erde“, ist überzeugt, dass dieses Verfahren auf großes Interesse stößt. Er betont den Respekt gegenüber den Verstorbenen und deren Angehörigen und sieht die Reerdigung als eine notwendige Entwicklung in der Bestattungskultur. Viele Menschen fragen bereits nach dieser umweltfreundlichen Alternative.
Die Perspektive der Kritiker
Die Argumente gegen die Reerdigung umfassen nicht nur rechtliche Fragen, sondern auch Bedenken hinsichtlich der Hygiene und der Würde der Verstorbenen. Kritiken, die die Protokolle der methodischen Zersetzung betreffen, kommen vor allem von der Kremationsindustrie, die um ihren Platz im Bestattungsmarkt fürchtet.
Zukunftsausblick
Während die Reerdigungen bislang nur in Schleswig-Holstein erlaubt sind, gibt es Bestrebungen und Gespräche in anderen Bundesländern wie Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, ähnliche Verfahren einzuführen. Metz ist optimistisch, dass die Akzeptanz dieser neuartigen Bestattungstechnik im Laufe der Zeit wachsen wird.
Zusammenfassend zeigt sich, dass die Einführung der Reerdigung nicht nur eine ökologische Innovation darstellt, sondern auch eine tiefgehende gesellschaftliche Debatte über den Umgang mit Tod und Sterblichkeit anstößt. Je mehr Informationen zur Verfügung stehen, desto weniger werden Vorurteile und Befürchtungen im Zusammenhang mit dieser Methode eine Rolle spielen.
– NAG