In der Ukraine beginnt das neue Schuljahr unter extremen Bedingungen. Viele Schüler*innen werden gezwungen sein, ihre Bildung vor dem Bildschirm fortzusetzen, da zwei von drei Kindern in den Frontgebieten nicht in Präsenz lernen können. Ein aktueller Bericht von Save the Children legt offen, dass die Situation durch fortwährende Konflikte und Angriffe weiter verschärft wird.
Die Kinderrechtsorganisation sprach für ihre Untersuchung mit etwa 1.500 Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen. In den sechs Regionen nahe der Frontlinie, einschließlich Charkiw und Donezk, gaben 64 Prozent der befragten Kinder an, den Unterricht nur online verfolgen zu können. Lediglich 15 Prozent genießen den Präsenzunterricht, während 17 Prozent eine Kombination aus beiden Formen nutzen.
Auswirkungen des Krieges auf den Bildungszugang
Sonia Khush, die Länderdirektorin von Save the Children in der Ukraine, betonte die enorme Herausforderung, vor der viele Kinder stehen: „Nach mehr als zwei Jahren Krieg gibt es in der Ukraine Tausende Kinder, die noch nie einen Fuß in ein Klassenzimmer gesetzt haben. Kinder haben ein Recht auf Bildung – das darf ihnen nicht verwehrt werden.“ Diese Kernbotschaft verdeutlicht, dass Schule weit mehr bietet als nur akademisches Wissen; sie ist auch ein bedeutender Ort der sozialen Interaktion, was in der aktuellen Lage stark gefährdet ist.
Eine große Anzahl von Schulen bleibt aufgrund der unablässigen Luftangriffe geschlossen. Das ukrainische Bildungsministerium berichtet, dass fast 1,9 Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter auf Fernunterricht angewiesen sind, weil ihre Schulen entweder beschädigt oder ganz zerstört wurden. Über die Hälfte der betroffenen Familien vermeldete, dass ihre Schulen in Mitleidenschaft gezogen worden sind – in den Regionen Charkiw und Donezk betrug dieser Anteil mehr als 90 Prozent.
Die Herausforderungen beim Online-Unterricht sind vielfältig. Viele Schülerinnen und Schüler haben nur Zugang zu Handys mit defekten Bildschirmen, und oft mangelt es an stabilem Internet und notwendiger technischer Ausstattung. Auch ständige Stromausfälle erschweren den Unterricht. Mehr als die Hälfte der Schüler*innen wünscht sich sehnlichst den persönlichen Kontakt zu ihren Lehrer*innen, was in dieser Zeit besonders spürbar ist.
Innovative Lösungen zur Unterstützung von Schüler*innen
In Charkiw, einer Stadt, die fast täglich unter Bombardements leidet, haben die lokalen Behörden Notlösungen geschaffen. Klassenzimmer wurden in U-Bahnhöfen eingerichtet, und Save the Children hat mit technischer Ausrüstung geholfen. Eine 17-jährige Schülerin namens Maryna* äußerte sich positiv über diese neue Lernumgebung und erklärte: „Selbst wenn es Alarm oder Beschuss gibt, höre ich das gar nicht. Ich rede mit Freunden, lerne Neues. Es gefällt mir hier mehr als zu Hause, wo ich oft abgelenkt bin.“
Um den Kindern im ganzen Land den Zugang zu Bildung zu erleichtern, hat Save the Children seit 2014 zahlreiche Programme initiiert. Im Jahr 2022 wurden 90 digitale Lernzentren eingerichtet, in denen nicht nur Geräte bereitgestellt werden, sondern auch geschulte Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Zudem wurden Reparaturen an 70 Schulen und Kindergärten unterstützt, und Kinder, deren Schulen schließen mussten, erhielten Laptops und Tablets.
Die aktuelle Situation in den Frontregionen ist alarmierend und zeigt, wie zerbrechlich das Bildungssystem unter den Bedingungen eines anhaltenden Konflikts wird. Viele Bildungseinrichtungen wurden entweder schwer beschädigt oder komplett zerstört, und der Mangel an Lehrkräften ist ebenfalls ein großes Thema, da mehr als 43.000 Lehrer*innen ins Ausland geflohen sind oder innerhalb der Ukraine Vertriebene sind.
Angesichts dieser Herausforderungen ist der Bericht von Save the Children eine dringende Mahnung, dass die Rechte von Kindern auf Bildung und soziale Interaktion auch in Krisenzeiten geschätzt und verteidigt werden müssen. Es bleibt zu hoffen, dass die internationale Gemeinschaft nicht nur die unmittelbaren Bedürfnisse der Kinder betrachtet, sondern auch langfristige Lösungen für die Bildung in Krisengebieten entwickelt.
Hintergrund zur Bildungslandschaft in der Ukraine
Die Ukraine hat eine reiche Bildungsgeschichte, die bis in die Zeit vor der Unabhängigkeit im Jahr 1991 zurückreicht. Traditionell war das Bildungssystem in der Ukraine stark zentralisiert und unterlag staatlicher Kontrolle, die Ausbildung war in den letzten Jahrzehnten jedoch einem stetigen Wandel unterzogen. Der Krieg, der seit 2014 mit der Annexion der Krim und dem Konflikt im Donbass in Gang gesetzt wurde, hat die Bildungslandschaft erheblich beeinflusst.
Vor dem Krieg war die Einschreibung in Schulen weit verbreitet, und Bildungsreformen wurden angestoßen, um das Bildungssystem moderner und zugänglicher zu gestalten. Die COVID-19-Pandemie stellte eine zusätzliche Herausforderung dar und zwang Schulen weltweit, auf Online- und Hybridunterricht umzuschalten. In der Ukraine führten die Bedingungen des Krieges in Verbindung mit der Pandemie zu einer noch stärkeren digitalen Kluft und ungleichen Zugängen zu Bildungsmöglichkeiten.
Statistiken zur aktuellen Bildungssituation
Die aktuelle Situation der Kinder in der Ukraine ist alarmierend. Aktuellen Schätzungen zufolge sind etwa 1,9 Millionen schulpflichtige Kinder im Land auf Fernunterricht angewiesen. Laut dem ukrainischen Bildungsministerium gibt es fast 3.000 Bildungseinrichtungen, die aufgrund von Kriegsschäden nicht mehr funktionsfähig sind, von denen mehr als 300 komplett zerstört wurden. Dies bedeutet, dass die Infrastruktur für eine reguläre Schulbildung stark beeinträchtigt ist.
Zusätzlich ist der Lehrkräftemangel ein gravierendes Problem: Mehr als 43.000 Lehrerinnen und Lehrer sind ins Ausland geflüchtet oder wurden innerhalb der Ukraine vertrieben. Dies entspricht etwa 10 Prozent der gesamten Lehrer*innenschaft des Landes. In den Grenzregionen Tschernihiw, Charkiw, Donezk, Dnipro, Saporischschja und Mykolajiw sind laut dem Staatlichen Statistikdienst der Ukraine rund 973.000 Kinder in Schulen eingeschrieben. Diese statistischen Daten zeichnen ein klares Bild der Herausforderungen, denen sich das Bildungssystem in der Ukraine gegenübersieht.
Die Berichte zeigen auch, dass viele Familien mit Einschränkungen wie mangelhaften Internetzugang, fehlenden technischen Geräten oder Stromausfällen konfrontiert sind, was den Fernunterricht weiter erschwert. Über 50 Prozent der befragten Familien berichteten, dass ihre Schulen beschädigt worden sind, und in bestimmten Regionen lag dieser Prozentsatz bei über 90. Die aktuellen Umstände verdeutlichen die Dringlichkeit von Maßnahmen zur Unterstützung der Bildung in der Ukraine.
Die Organisation Save the Children hat in Reaktion auf diese Situation bereits einige Initiativen ergriffen, um den Zugang zur Bildung zu gewährleisten und den betroffenen Kindern Unterstützung zu bieten.