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Schwarzfahren entkriminalisieren: Kriminologen schlagen Reform vor

Kriminologen und Wissenschaftler fordern in einem offenen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann eine Entkriminalisierung des Schwarzfahrens in Berlin, da dies überwiegend arme und sozial benachteiligte Menschen trifft, während eine Reform des Strafgesetzbuches, die für die erste Hälfte 2024 geplant ist, ins Stocken geraten ist.

Berlin (dpa) – Eine interessante Debatte über die Entkriminalisierung des Schwarzfahrens nimmt in Deutschland Gestalt an. Wissenschaftler und Kriminologen haben sich in einem offenen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gewandt und fordern, die rechtlichen Konsequenzen des Fahrens ohne gültigen Fahrschein grundlegend zu überdenken. Ihr Ziel ist es, diese Praxis nicht länger als Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu behandeln, um überproportional von Armut betroffene Menschen nicht zusätzlich zu belasten.

Schwarzfahren und seine Folgen für sozial benachteiligte Gruppen

Das Thema Schwarzfahren betrifft besonders häufig einkommensschwache Personen sowie Menschen in schwierigen sozialen Lagen, darunter oft auch Drogenabhängige. Diese Erkenntnis ist der zentrale Punkt im Schreiben der Wissenschaftlerinnen, welches der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegt. Die Verfasserinnen, darunter zwei Wissenschaftlerinnen aus Köln und Frankfurt am Main, betonen, dass der gesellschaftliche Schaden durch das „Erschleichen von Leistungen“ pro Fahrt minimal ist.

Zurecht bestehende Bedenken zur Reform

Obwohl ein Entwurf für eine Reform des Strafgesetzbuches in der ersten Hälfte 2024 erwartet wird, gibt es erhebliche Bedenken gegen die vollständige Herabstufung des Schwarzfahrens auf den Status einer Ordnungswidrigkeit. Laut den Wissenschaftlern könnte dies dazu führen, dass Personen, die nicht in der Lage sind, das Bußgeld zu zahlen, in Erzwingungshaft genommen werden. Dies wäre besonders für Menschen in prekären Lebenslagen problematisch, die oft psychisch und physisch stark belastet sind und Schwierigkeiten haben, ihre Zahlungsunfähigkeit nachzuweisen.

Unterstützer des Reformvorschlags

Zu den Unterstützern des Vorschlags gehören namhafte Persönlichkeiten wie Christine Graebsch von der Fachhochschule Dortmund und Stefan Harrendorf von der Universität Greifswald. Diese Fachleute fordern eine neue Herangehensweise an das Thema Schwarzfahren, die nicht nur rechtliche, sondern auch soziale Aspekte berücksichtigt. Sie stellen fest, dass viele Schwarzfahrer, die Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen müssen, häufig arbeitslos sind und finanziell marginalisiert leben.

Ein Schritt in die Zukunft?

Die Ampel-Koalition unter Führung von Buschmann plant eine umfassende Reform in mehreren Bereichen, einschließlich der Online-Meldung von Unfällen mit Sachschäden, die vom ursprünglichen Vorhaben ablenken könnten. Dennoch bleibt die Frage der tatsächlichen Umsetzung und die Dringlichkeit, mit der diese Reform angegangen wird, ungewiss. Sollte der Vorschlag zur Entkriminalisierung des Schwarzfahrens ernst genommen werden, könnte das weitreichende positive Auswirkungen auf die soziale Gerechtigkeit in Deutschland haben.

Der Weg zur Umsetzung bleibt ungewiss

Bisher ist noch kein fester Zeitpunkt für die Umsetzung der vorgeschlagenen Reformen bekannt, doch der Druck auf die Politik wächst. Die Diskussion um die gesetzlichen Rahmenbedingungen für das Schwarzfahren spiegelt nicht nur juristische, sondern vor allem gesellschaftliche Fragen und Herausforderungen wider. Wenn eine zeitnahe und gerechte Lösung nicht gefunden wird, könnten viele Menschen weiterhin unter den existierenden rechtlichen Bestimmungen leiden.

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