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Sprache verstehen: Warum klare Kommunikation Existenzängste lindern kann

Teaser: Experten warnen, dass die komplexe Juristensprache in Deutschland, die selbst Anwälte und Richter überfordert, nicht nur Milliarden kostet, sondern auch 50 % der Selbstständigen vom Finanzamt unnötig ausschließt, weshalb ein dringender Wandel zu verständlicher Kommunikation in Gesetzen und Verwaltungsakten notwendig ist.

In Deutschland gibt es einen alarmierenden Trend: Immer mehr Selbstständige haben Schwierigkeiten, wichtige Dokumente zu verstehen. Laut Angaben der Braunschweiger Zeitungdeuten fast 50 % der Selbstständigen darauf hin, dass sie Briefe vom Finanzamt nicht nachvollziehen können. Gleichzeitig fühlen sich über 70 % der Selbstständigen unzureichend auf steuerliche Belange und die Herausforderungen der Selbstständigkeit vorbereitet. Diese sprachlichen Hürden haben schwerwiegende Konsequenzen für die Existenz vieler Unternehmer: Zwischen 2012 und 2023 ist die Zahl der Selbstständigen hierzulande um beeindruckende 14,22 % gesunken. Besonders betroffen sind Solo-Selbstständige, deren Zahl um 30,2 % zurückgegangen ist.

Die Komplexität der juristischen und bürokratischen Sprache wird immer mehr in den Fokus gerückt. Experten, wie Gidon Wagner von WORTLIGA, weisen darauf hin, dass es an der Zeit ist, die Art und Weise, wie wir kommunizieren, zu überdenken. „Jeder muss lernen, sein Wissen in klare Sprache zu verpacken. Auch die Entscheidungsträger in Behörden müssen die Vorteile klarer Kommunikation verstehen“, erklärt Wagner. Viele, auch Juristen selbst, erkennen, dass diese schwerfällige Sprache eher ein hindernis als ein hilfreiches Werkzeug ist.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Sprachklarheit

Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat gezeigt, dass die komplexe Verwaltungssprache oft mit magischen Formeln verglichen wird. Laut Professor Edward Gibson führt die Verwendung dieser komplizierten Sprache zu Missverständnissen und steigert die Kosten für alle Beteiligten. Umfragen haben ergeben, dass sogar Anwälte und Richter sich oft gegen die Verwendung solcher schwer nachvollziehbaren Sprache sträuben. Diese Erkenntnisse sollten zu einem Umdenken führen: Komplizierte Ausdrucksweisen sind nicht nur unnötig, sie schaden auch der Kommunikation und der Vertrauensbildung.

„Wenn Verwaltungen und Unternehmen ihre Kommunikation vereinfachen, schaffen sie Vertrauen und senken gleichzeitig ihre Verwaltungskosten“, erläutert Wagner weiter. Die Frage bleibt, wie der Wechsel zu klaren und verständlichen Texten effektiv umgesetzt werden kann. Hier bieten Schulungen für Vielschreiber und die Anwendung von Analysetools wie der WORTLIGA Textanalyse praktische Ansätze. Diese Tools helfen nicht nur, alte Muster zu überwinden, sondern schärfen auch das Bewusstsein für die Wirkung der verwendeten Sprache.

Praxisbeispiele aus der Bildungswelt

Ein bemerkenswerter Schritt in Richtung verständlicherer Kommunikation ist die Integration klarer Sprache in den Deutschunterricht. In Deutschland, insbesondere in Sachsen-Anhalt, wurden 2022 in allen Gymnasien die WORTLIGA Textanalyse-Tools eingeführt. Das Ziel ist es, Schüler frühzeitig zu schulen, eine verständliche Ausdrucksweise zu entwickeln – anders als in vielen englischen Schulen, wo diese Fähigkeiten bereits einen hohen Stellenwert haben. Diese veränderte Herangehensweise zielt darauf ab, die Schreib- und Ausdruckskompetenzen der Schüler zu fördern, sodass sie künftig besser auf die Anforderungen des Berufslebens vorbereitet sind.

Gesetzgeber und Unternehmen sind ebenso gefordert, die eigene Sprache zu überarbeiten. In den USA gibt es bereits Erfolge: Gesetze, die in verständlicher Sprache verfasst sind, sind keine Seltenheit mehr. Ein Beispiel hierfür ist das Gesetz aus Florida, das für „Lesbare Sprache in Versicherungspolicen“ sorgt und damit einen Lesbarkeitswert von 40 von 100 erreicht – ein Wert, der in Deutschland oft unerreicht bleibt. Um ähnliche Erfolge in Deutschland zu ermöglichen, müssen Gesetze und offizielle Dokumente dringend vereinfacht werden.

Der Austausch über Sprachgewohnheiten und deren Veränderung ist ein zentraler Bestandteil der Lösung. Experten wie Dr. Jörg Bockow, der Beamte an der Fortbildungsakademie Herne trainiert, arbeiten daran, die Bedeutung von klarer Kommunikation zu verdeutlichen. Neben Schulungen sind auch moderne Analysetools von entscheidender Relevanz, um Klarheit in der schriftlichen Kommunikation zu gewährleisten.

Der Weg zur inklusiven Verständigung

Die Veränderung der Sprachkultur erfordert Engagement von verschiedenen Seiten. Es ist entscheidend, dass Staat, Gesellschaft und Unternehmen gemeinsam daran arbeiten, eine inklusive und verständliche Kommunikation zu fördern. Nur so können wir eine barrierefreie Informationswelt schaffen, in der niemand aufgrund komplizierter Sprache benachteiligt wird. Klare Sprache ist der Schlüssel zu erfolgreicher Kommunikation und einem funktionierenden Miteinander.

Die Herausforderungen der juristischen Sprache betreffen nicht nur die individuelle Verständlichkeit, sondern haben auch weitreichende gesellschaftliche und wirtschaftliche Implikationen. Die Technische Universität Berlin hat in einer Studie gezeigt, dass der Zugang zu Informationen und Rechtsdiensten für viele Menschen unzureichend ist. Dies führt dazu, dass wichtige Rechte und Ansprüche oft nicht wahrgenommen werden. Laut einer Umfrage des Bundesministeriums der Justiz ist ein Drittel der Befragten der Meinung, dass sie bei rechtlichen Problemen nicht ausreichend Unterstützung erhalten. Dies erschwert nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen, sondern führt auch zu einer erhöhten Belastung des Rechtssystems.

Gesellschaftliche Auswirkungen unklarer Kommunikation

Ein Beispiel hierfür ist die steigende Zahl von Rechtsstreitigkeiten, die durch Missverständnisse und unklare Vertragsbedingungen entstehen. Der Deutsche Anwaltverein hat festgestellt, dass ein erheblicher Teil der Streitfälle durch die Missverständlichkeit von Verträgen bedingt ist. Dies belastet nicht nur die Gerichte, sondern verursacht auch zusätzliche Kosten für alle Beteiligten. Laut Schätzungen könnten durch eine Vereinfachung der rechtlichen Sprache jährlich mehrere Millionen Euro an Prozesskosten eingespart werden.

Ein weiterer Aspekt ist die Bedeutung von klaren Informationen für benachteiligte Gruppen. Migranten, Menschen mit geringen Deutschkenntnissen oder geringe Bildung sind häufig die ersten Verlierer, wenn es um den Zugang zu rechtlichen Informationen geht. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass diese Gruppen signifikant höhere Schwierigkeiten haben, ihre rechtlichen Möglichkeiten wahrzunehmen. Ihre Integration in die Gesellschaft wird dadurch zusätzlich erschwert.

Internationale Vergleiche und Fortschritt in anderen Ländern

In vielen anderen Ländern wird das Bedürfnis nach klarerer Kommunikation bereits erkannt. Beispielsweise hat Australien in den letzten Jahren umfassende Reformen umgesetzt, um den Zugang zu rechtlichen Informationen zu erleichtern. Durch Programme zur Schulung von Beamten und durch die Bereitstellung von rechtlichen Informationen in verständlicher Sprache werden niedrigere Hürden geschaffen. Diese Maßnahmen haben zu einer messbaren Verbesserung des Zugangs zu rechtlichen Diensten geführt.

Finnland ist ein weiteres Beispiel, das oft genannt wird. Das Land hat eine Initiative ins Leben gerufen, die darauf abzielt, die rechtliche Sprache in Verwaltungsakten zu vereinfachen. Die positiven Effekte dieser Initiative zeigen sich unter anderem in einer höheren Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit den angebotenen staatlichen Dienstleistungen.

Die Thematik der Verständlichkeit von Rechts- und Verwaltungstexten zeigt also, dass Sprache nicht nur ein Kommunikationsmittel ist, sondern auch eine entscheidende Rolle für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft spielt. Durch gezielte Anstrengungen zur Vereinfachung der Sprache kann die Teilhabe aller Bürger an gesellschaftlichen Prozessen verbessert werden und die Akzeptanz der Gesetze gesteigert werden.

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