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Verhüllung als Zeichen: Wittenberger Kunststudentinnen fordern Wandel

Kunststudentinnen aus Halle schlagen eine innovative Lösung vor, um die antisemitische „Judensau“ an der Stadtkirche Sankt Marien in Wittenberg, die seit 1290 für Kontroversen sorgt, durch eine visuelle Intervention zu verhüllen und gleichzeitig deren beleidigende Botschaft zu kennzeichnen, was eine wichtige Debatte über den Umgang mit historischem Antisemitismus anstößt.

In Deutschland wird derzeit eine kunstvolle Lösung für ein historisches Dilemma erwogen, das tief verwurzelte gesellschaftliche Diskussionen über Antisemitismus und Erinnerungskultur anstoßen könnte. Zwei Kunststudentinnen, Constanze Lorenz und Josephine Dishoni von der Burg Giebichenstein in Halle, haben einen innovativen Vorschlag zur visuellen Intervention für das umstrittene Relief der sogenannten „Judensau“ an der Stadtkirche St. Marien in Wittenberg entwickelt.

Antisemitismus im Fokus

Die Kunststudentinnen fordern ein Umdenken im Umgang mit einem der brutalsten Symbole christlicher Judenfeindschaft. An dem Relief, das einen Rabbi zeigt, der sich in unangemessener Weise mit einem Schwein beschäftigt, wurden über die Jahre immer wieder hitzige Debatten geführt. Der lokale Kirchenvorstand, unter dem Bürgermeister Torsten Zugehör und die AfD, setzt sich für den Verbleib des Reliefs ein – was zu einer Verstärkung der Fronten führt.

Ein neuer Ansatz zur Erinnerungskultur

Um die Diskussion zu beleben, schlagen Lorenz und Dishoni vor, das antisemitische Relief nicht zu entfernen, sondern durch eine künstlerische Installation zu modifizieren. Ihr Konzept zielt darauf ab, das Relief durch ein großes, in Signalfarben leuchtendes Netz und Gerüst zu verhüllen, das gleichzeitig auf die anhaltende Präsenz des Reliefs hinweist und dessen beleidigende Symbolik sichtbar macht. Ihre Idee könnte der Schlüssel zu einer einvernehmlichen Lösung sein und gleichzeitig einen Beitrag zur Aufklärung leisten.

Gesellschaftliche Resonanz

Die Reaktionen auf den Vorschlag waren überwiegend positiv. Ein Ausschuss des Kirchenvorstandes zeigte sich von der kreativen Herangehensweise begeistert und plant, eine künstlerische Intervention in ihr Gesamtkonzept zur Weiterentwicklung der Stätte der Mahnung zu integrieren. Diese positive Resonanz unterstreicht das Potenzial der Kunst, einen Dialog über komplexe und schmerzhafte Themen anzuregen.

Die Macht der Kunst im Dialog

Nicht nur die Kirchenvertreter schätzen den Ansatz der Studentinnen, sondern auch Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, sieht darin ein wichtiges Zeichen. Klein betont, wie essenziell es ist, solche schändlichen Darstellungen nicht unkommentiert zu lassen. Durch die künstlerische Installation könnte der Fokus auf die Mahnung anstatt auf die Beleidigung gelegt werden.

Ein Treffen der Disputanten

Am kommenden Donnerstag kommen alle Beteiligten zusammen, um formell über eine Wanderausstellung der evangelischen Kirche zu diskutieren. Dabei wird auch das Thema um die „Judensau“ thematisiert. Die Herausforderung liegt darin, einen Weg zu finden, der sowohl die historischen Wunden anerkennt als auch einen neuen, respektvollen Umgang mit der Vergangenheit vorlebt.

Der Vorschlag zur Kunstintervention könnte somit nicht nur eine lokale Diskussion neu beleben, sondern auch als Modell für ähnliche Debatten in anderen Städten dienen, die mit ihrer eigenen, komplexen Geschichte der Judenfeindschaft und deren visuellen Erinnerungen ringen.

NAG

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