In Thüringen gestalten sich die politischen Debatten rund um die Landtagswahl zunehmend kontrovers. An einem symbolträchtigen Ort, der ehemaligen Grenze zwischen Ost und West, setzen die Spitzenkandidaten des Thüringer Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) ein Zeichen der Erinnerung und Reflexion. Katja Wolf und Steffen Schütz, die beiden BSW-Vertreter, legten kürzlich weiße Lilien am Baumkreuze-Denkmal nieder, einem Ort, der an die Opfer der Teilung erinnert. „Immer wieder emotional hier,“ beschreibt Wolf die Atmosphäre.
Das Denkmal befindet sich neben der stark befahrenen Bundesstraße 7, wo einst ein leidenschaftlicher Traum von Freiheit brutal endete. An dieser Stelle verläuft das Gedenken an über 100 Menschen, die im Todesstreifen ihr Leben verloren. Diese Tatsache weckt nicht nur Erinnerungen, sondern unterstreicht auch die Wichtigkeit des Gedenkens in der heutigen Gesellschaft, wo offene Grenzen oft als selbstverständlich betrachtet werden.
Die beiden Spitzenkandidaten sehen sich dennoch Herausforderungen gegenüber. In sozialen und politischen Kreisen gibt es Kritik an der Nähe des BSW zur ehemaligen SED, insbesondere durch Bürgerrechtler, die Sahra Wagenknecht vorwerfen, eine „Lügnerin“ mit einer „antiukrainischen Propaganda“ agenda zu sein. Schütz, selbst von der Stasi verfolgt und am Grenzzaun aufgewachsen, nimmt die Vorwürfe ernst und spricht von persönlichen Kämpfen und der Notwendigkeit, als Partei klar zu positionieren.
Wagenknecht, die einst als glühende Verfechterin des SED-Regimes galt, hat im Laufe der Zeit eine Wandlung durchlebt. Sie selbst gibt zu, dass ihre damaligen Ansichten als Folge ihrer Jugend und des gesellschaftlichen Kontexts entstanden. Wolf zeigt Verständnis für diese Entwicklung und betont, wie wichtig es ist, diese Erinnerungen im Lichte der Gegenwart zu betrachten.
Die Integration solcher geschichtlicher Lektionen in die Gegenwart wird von Wolf als essenziell erachtet, um die jüngeren Generationen zu sensibilisieren. „Meine Kinder steigen in den Flieger nach Bali, ohne Visum,“ sagt sie. Es sei wichtig, ihnen Demut vor den offenen Grenzen beizubringen und sie an die Geschichte zu erinnern, die diese Freiheiten erst ermöglicht hat.
Das Baumkreuze-Projekt, das von Ralf-Uwe Beck initiiert wurde, stellt eine Verbindung zwischen Eisenach und Kassel dar, durch das Pflanzen von mehr als 1000 Bäumen. Diese Initiative symbolisiert nicht nur den Fortschritt über Grenzen hinweg, sondern wird auch als Lernort für zukünftige Generationen angesehen. Es soll ein Ort bleiben, wo über Grenzen diskutiert wird, und nicht zuletzt an die Gefahren einer geschlossenen Gesellschaft erinnert wird.
Während sich die politischen Würfel in Thüringen bald entscheiden, bleibt abzuwarten, wie die gesellschaftliche Diskussion über Vergangenheit und Zukunft weiter verläuft. Die Gedenkaktionen und die Gedanken zu offenen Grenzen zeigen, dass das Verarbeiten der Geschichte eine wichtige Rolle in der politischen Identität der Region spielt.