Deutschland

Zuwanderung in Deutschland: Rückblick auf eine endlose Debatte

In ihrer Kolumne am 08.09.2024 untersucht Hadija Haruna-Oelker die wiederkehrende Debatte über Migrationspolitik in Deutschland und kritisiert, wie politische Akteure, die aus der Geschichte nicht gelernt haben, rechtliche Einschränkungen des Asylrechts vorantreiben, während die Gesellschaft sich auf eine menschenrechtsbasierte Lösung zubewegen sollte.

Es ist ein vertrautes Szenario, das sich in der deutschen Migrationsdebatte abspielt. Politikerinnen und Politiker aller Parteien scheinen seit dem Anschlag von Solingen eine Art Wettlauf veranstalten zu wollen, um herauszufinden, wie sie das Asylrecht am effektivsten einschränken können. Solche Initiativen bringen rechtliche Zweifelsfälle mit sich, während der menschliche Aspekt oft in den Hintergrund gedrängt wird. Das besondere Problem ist die Klagemöglichkeit der AfD, die sich darüber beschwert, dass sie von den etablierten Parteien „kopiert“ wird. Es scheint einer absürd klingenden Ironie der Geschichte gleichzukommen.

Die Literaturkritikerin Insa Wilke äußert sich besorgt über die Entwicklung in der Gesellschaft. „Die Menschen sind gleichgültiger geworden“, sagt sie und kritisiert, dass diese Art der Debatte schon oft und immer wiederkehrend aufgegreifen wurde, ohne dass daraus Lehren gezogen wurden. Ein prägnantes Beispiel dafür ist der Asylkompromiss von 1993 in Bonn, als Tausende gegen die Gesetzesänderung demonstrierten. Damals blieb zwar das Grundrecht auf Asyl bestehen, wurde jedoch durch Regelungen wie die Drittstaatenregelung erheblich eingeschränkt, was langfristige Folgen für die Migrationsgesellschaft hatte.

Wessen Deutschland?

Die zentrale Frage, die immer wieder auftaucht, ist: Wer wird akzeptiert und warum? Zudem müssen wir uns fragen, was diese wiederholten Auseinandersetzungen mit Migranten bedeuten, die schon lange in Deutschland leben. Das Grundrecht auf Asyl wurde 1949 eingeführt, um den Opfern des Nationalsozialismus eine Zuflucht zu bieten. Deutschland wuchs über die Jahre hinweg zu einem Ort, an dem unterschiedlichste Menschen, insbesondere Gastarbeiter, neue Heimat fanden. Diese Einwanderer und ihre Nachkommen haben aktiv zum heutigen Deutschland beigetragen, das sich als Migrationsgesellschaft versteht. Ein „Wir“, das uns eint, wird jedoch nur dann bestehen bleiben, wenn wir uns nicht den Plänen der AfD anschließen.

Wer tatsächlich eine inklusive Gesellschaft anstrebt, sollte sich eher mit Akzeptanz als mit Ablehnung beschäftigen und nach menschenrechtsbasierten Lösungen suchen. Es besteht die Notwendigkeit, die veralteten Ideen und Narrative über Migration zu hinterfragen. Satiriker Jan Böhmermann bringt es auf den Punkt, wenn er beschreibt, dass viele Menschen und Politiker in vermeidbaren Ablenkungsdebatten gefangen sind, die zu Feindseligkeiten statt zu konstruktiven Lösungen führen.

  • Politischer Druck und gesellschaftliche Ignoranz
  • Soziale und integrationspolitische Verfehlungen
  • Die Rolle der Medien in der Erzählung über Migration

Es stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft bereit dazu wäre, Zuwanderung offener zu akzeptieren, wenn die Ängste, die dahinterstehen, das Produkt einer einseitigen politischen und medialen Erzählweise wären. Diese Erzählweise predigt seit den 90er Jahren die ständige Gefahr, dass das Boot bald voll ist und untergeht.

Friedrich Merz sprach kürzlich von einer „nationalen Notlage“. Während er wohl eine andere Vorstellung dessen hat, was diese Notlage ausmacht, erinnert uns die historische Perspektive daran, wie solche letzten Endes zu rechtsextremen Parteien führten und wie die Gesellschaft damals reagierte.

Heute stehen wir wieder vor der gleichen Herausforderung: Nichts hat sich gelernt. Diese immer gleichen Muster in der Zuwanderungspolitik sind nicht nur langweilig, sondern auch gefährlich. Wer genau zählt zur Definition „deutsch“? Und was bedeutet es, „Deutsch“ zu sein, wenn wir uns in einer vielfältigen und sich ständig verändernden Gesellschaft befinden?

In Anbetracht der Tatsache, dass zum ersten Mal seit 45 Jahren eine rechtsextreme Partei in einem Bundesland die stärkste Kraft darstellt, braucht es mehr als nur eine Antwort auf die provokanten Behauptungen der Rechten. Wir benötigen mutige Lösungsansätze, die das gesellschaftliche Miteinander fördern, anstatt es weiter zu spalten. Nur so können wir eine einheitliche und inclusive Zukunft gestalten, die sich nicht mehr von den Fehlern der Vergangenheit leiten lässt.

Die Politikwissenschaftlerin und Autorin Hadija Haruna-Oelker macht damit deutlich, dass der Diskurs über Migration und Integration weit über einfache politische Rhetorik hinausgehen muss. Deutschland braucht eine klare Vision, die alle Bürgerinnen und Bürger einbezieht, unabhängig von ihrer Herkunft.

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